Pseudo-Sigmund-Freud-Zitat. |
Dieses angebliche Sigmund-Freud-Zitat taucht bei chronologischen Suchen erst im Jahr 2001 in den digitalisierten Texten auf, aber nicht in einem Fachbuch mit Quellenangabe, sondern in der Signatur eines Postings in einem Science Fiction Forum.
2001
- "Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu gewinnen. (Sigmund Freud)" .scifi-forum.de,
Jahrzehnte nach dem Tod einer Autorität tauchen im Usenet und in Foren auf diese Art viele Kuckuckszitate auf und es gibt nach dieser Quellenlage keinen vernünftigen Grund, dieses Zitat im Ernst dem Gründer der Psychoanalyse zuzuschreiben, auch wenn es seit 10 Jahren auch in Zeitungen und Büchern Sigmund Freud unterschoben wird.
Entstanden könnte das Sigmund Freud unterschobene Zitat durch die Verallgemeinerung einer oft zitierten aristotelischen Maxime aus der Nikomachischen Ethik sein:
Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1152b
ἔτι ὁ φρόνιμος τὸ ἄλυπον διώκει, οὐ τὸ ἡδύ.
eti ho phronimos to alupon diōkei, ou to hēdu.
- Ferner, der Kluge trachte nach Schmerzlosigkeit, nicht nach Lust. (Link)
- Ferner, der Kluge trachte nach Schmerzlosigkeit, nicht nach Ergötzung.
- The prudent man pursues freedom from pain, not pleasure. (Link)
In den 17 Bänden der gesammelten Werke Sigmund Freuds ist das im Internet durch Online-Zitatsammlungen weit verbreitete Zitat nicht enthalten. Da die Briefe von Sigmund Freud noch nicht vollständig digitalisiert sind, kann man nicht gänzlich auschließen, dass das Kuckuckszitat doch noch in einem Brief Sigmunds Freud gefunden werden wird, auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist.
Twitter, 2020:
»Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden, als Freude zu gewinnen.« Ein im Internet beliebtes Zitat, angeblich von Sigmund Freud. Wer mir dazu eine plausible Quellenangabe liefern kann, erhält von mir ein Fläschchen Händedesinfektion. @krieghofer
— Wolfgang Gruber (@gruberist) May 6, 2020
Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Sigmund Freud: Studienausgabe, 10 Bände, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main: 1982
Sigmund Freud: Gesammelte Werke in siebzehn Bänden. Hrsg. von Anna Freud, Imago Publishing, London: 1941ff.
freud-edition.net
freud-edition.net/ueber-projekt
freud-online.de/
freud-online.de/Texte/PDF/freud_werke_alle_bd.pdf
Andreas Woyke: Eudämonistik und Willensverneinung: Zwei Seiten der Ethik Arthur Schopenhauers. recenseo, Texte zu Kunst und Philosophie (Link)
Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1152b (Link)
projekt-gutenberg.org/aristote/nikomach/
perseus.tufts.edu
Beispiele für falsche Zuschreibungen:
scifi-forum.de, 14.12.2001, 17:53, Akira (frühe falsche Zuschreibung)
zeit.de/2011/47/C-Coach
zitate.eu - 29490
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Dank:
Ich danke Wolfgang Gruber für die Aufdeckung des Kuckuckszitats, Marius Fränzel für den Hinweis auf das Aristoteles-Zitat und auch Ralf Bülow für seine Recherchen.