Sonntag, 14. Februar 2021

"Hinter jedem Faschismus verbirgt sich eine gescheiterte Revolution." Walter Benjamin (angeblich)

 

Pseudo-Walter-Benjamin-Zitat.

Dieses Bonmot wurde dem im Jahr 1940 verstorbenen Philosophen Walter Benjamin über 60 Jahre nach seinem Tod das erste Mal untergeschoben, und schon viele Leute haben vergeblich eine Version dieses Zitats in einem Text Walter Benjamins gesucht.

Auch die Behauptungen, das Zitat sei eine Paraphrase von Stellen aus Benjamins Essay "Über den Begriff der Geschichte" oder aus seiner Rezension von Ernst Jüngers Sammelschrift "Krieg und Krieger" mit dem Titel "Theorien des deutschen Faschismus" stimmen nicht, wie man sich leicht selbst überzeugen kann, da beide Texte Online zu lesen sind (Link1) (Link2).

Bei einer chronologischen Durchsuchung aller digitalisierten Texte taucht das Zitat das erste Mal im Jahr 2007 als marxistischer Slogan - allerdings ohne Zuschreibung an Walter Benjamin - in einem Buch über den Philosophen Slavoj Žižek auf.


  • "Žižek in other words takes the old Marxist slogan that ‘every rise of Fascism is a sign of a failed revolution’ very seriously: his understanding of history is consistent with Walter Benjamin’s, in as much as it regards a given historical failure or even catastrophe as indicative of the previous grounding ‘openness’ of agiven socio-political constellation."
    Heiko Feldner, Fabio Vighi: "
    Žižek - Beyond Foucault", Palgrave Macmillan, New York: 2007, S. 33  (pdf) 

Zwei Jahre später erklärte Slavoj Žižek diesen "alten marxistischen Slogan" aus der Sekundärliteratur über ihn ohne Quellennachweis zu einem Zitat Walter Benjamins, und Žižek hat dieses Bonmot einer unbekannten Person später in Büchern und Interviews noch oft als Walter-Benjamin-Zitat wiederholt.

2009

  • "What phenomena such as the rise of the Taliban demonstrate is that Walter Benjamin's old thesis that "every rise of Fascism bears witness to a failed revolution" not only still holds true today, but is perhaps even more pertinent than ever."

    "First As Tragedy, Then As Farce" by Slavoj Zizek; Verso, 2009 (

Seit 2011 haben auch andere Autorinnen und Autoren diesen Satz in verschiedenen Varianten fälschlich Walter Benjamin zugeschrieben.

2011

  • The Nazis converted the revolutionary hymn into a nationalistic paean to Hitler, bringing to mind German-Jewish Marxist Walter Benjamin’s adage that “every fascism is an index of a failed revolution.”
    David Bester: Song and struggle: “Bravely Comrades, In Step” People's World, May 19, 2011  (Link)

2011

  • Walter Benjamin is credited with saying “behind every fascism is a failed revolution,” (by which he meant communism).  (Link)

 2012

  • "Walter Benjamin seems to have it right when he deemed Fascism to be the product of a failed revolution." (Link)

2013

2013

  • "Do, however, recent vicissitudes of Muslim fundamentalism not confirm Walter Benjamin’s insight that 'every rise of Fascism bears witness to a failed revolution'? The rise of Fascism is the Left’s failure: a proof that there was a revolutionary potential, a dissatisfaction, that the Left was unable to mobilize."
    Slavoj Žižek: "Deaths on the Nile. Is Egypt’s revolution following the course of Iran’s?" In Thesetimes, August 23, 2013 (Link)

 2014

  • "Doch auch hier gilt, dass sich hinter jedem Faschismus eine gescheiterte Revolution verbirgt, und die einzige Möglichkeit der Linken, diese Loslösung durch die Rechte zu bekämpfen, ist, ihre eigene Loslösungsbewegung zu starten .."
    Slavoj Žižek: "Weniger als nichts: Hegel und der Schatten des dialektischen Materialismus" 2014 (Link)
     

 2015

  • "Žižek beruft sich auf Walter Benjamins Einsicht, dass jeder Aufstieg des Faschismus von einer gescheiterten Revolution zeuge ..". (DIE ZEIT)

2015

  • "'Hinter jedem Faschismus steht eine gescheiterte Revolution' lautet die Quintessenz der Faschismusanalyse des deutschen jüdischen marxistischen Theoretikers Walter Benjamin.  (slp.at)

 

2016

  • "Nachtwey: Weil die Linke keine alternative Erzählung anbietet. Walter Benjamin hat mal gesagt: Jeder Faschismus beruht auf einer gescheiterten Revolution - der Aufstieg von rechten Bewegungen hat damit zu tun, dass die Linken es nicht geschafft haben, eine Alternative zu entwickeln."  (Der Spiegel)
  •  
2020
  • "das Walter Benjamin zugeschriebene Bonmot, „dass jeder Aufstieg des Faschismus von einer gescheiterten Revolution zeugt“ (Žižek 2015: 14), ist wohl selten so oft zitiert worden wie in den letzten Jahren." (Link)
2020
 
  •  "Žižek constantly repeats Walter Benjamin's observation that 'every fascism is a sign of failed revolution.'" (Link)
 
2021
  • "Guérot fürchtet, Le Pen könnte 2022 tatsächlich gewinnen – und bezieht sich auf den Philosophen Walter Benjamin. Dieser hat schon in den Dreißigerjahren analysiert: "Jeder faschistischen Periode geht eine gescheiterte soziale Revolution voraus." Für Guérot waren die Gelbwesten in Frankreich eine soziale Revolution." (DIE ZEIT)
2021 
  • Ulrike Guérot: "'Jeder faschistischen Periode geht eine gescheiterte soziale Revolution voraus.' Walter Benjamin" (Twitter) 

 

Twitter, 2021:

 
Nach Ralf Bülow könnte das Kuckuckszitat durch eine falsche Verallgemeinerung eines Satzes Walter Benjamins aus einem Briefentwurf zu seinem Moskauer Tagebuch entstanden sein:
 
Walter Benjamin, zum Moskauer Tagebuch, 1. Mai 1927 (archive.org)

 
Artikel in Arbeit. Es könnten noch ältere Belege für das Zitat gefunden werden.
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Quellen:
 
Walter Benjamin: "Über den Begriff der Geschichte", in: Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. Unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem hrsg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. Suhrkamp, Frankfurt am Main: 1972, Band I, S. 691 ff. (Link)
Walter Benjamin: "Theorien des deutschen Faschismus", in: W.B.: Gesammelte Schriften. Unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem hrsg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. Suhrkamp, Frankfurt am Main: 1991, Band III Kritiken und Rezensionen (Internet Archive)
Walter Benjamin:  Briefentwurf zum Moskauer Tagebuch vom 1. Mai 1927, in: Gesammelte Schriften, Band 6, 1991, S. 781 (Link)
 
Heiko Feldner, Fabio Vighi: "Žižek - Beyond Foucault", Palgrave Macmillan, New York: 2007, S. 33  (pdf)  
Slavoj Žižek: "Deaths on the Nile. Is Egypt’s revolution following the course of Iran’s?" In Thesetimes, August 23, 2013 (Link)
Slavoj Žižek: "Weniger als nichts: Hegel und der Schatten des dialektischen Materialismus" 2014 (Link)  
Jennifer Ruth:  "Demanding the Impossible" Slavoj Zizek, Polity Press, 2013 (Link)  
Annika Joeres: Macrons härteste Gegnerin, DIE ZEIT, 12. Februar 2021  (Link)
 
 
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Dank:
Ich danke Tobias Blanken für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat und dessen Ursprung bei Slavoj Žižek sowie Ralf Bülow für seine These zur stillen Post.
 
 
 
 
 
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ANHANG

  • "Auf der Ebene dieser Ausdrucksformen der Massen verbinden sich faschistische Ideologie und Ästhetik: Das Ausbleiben der sozialen Revolution geht einher mit einer Inbeschlagnahme der Insignien der Revolution, mit einer Inszenierung und Theatralisierung des Politischen."
    Jean-Michel Palmier: "Walter Benjamin: Lumpensammler, Engel und bucklicht Männlein: Ästhetik und Politik bei Walter Benjamin" Suhrkamp: 2009, S. 1143 (Link)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Donnerstag, 31. Dezember 2020

"Wer denkt, ist nicht wütend." Theodor W. Adorno (angeblich)

  

Verkürztes Theodor-W.-Adorno-Zitat.
Dieses beliebte Adorno-Zitat ist eine verkürzte Wiedergabe des Satzes "Wer denkt, ist in aller Kritik nicht wütend: Denken hat die Wut sublimiert" aus Theodor W. Adornos letztem Radio-Essay, den er kurz vor seinem Tod im Jahr 1969 verfasst hat.

In diesem berühmten Essay mit dem Titel "Resignation" verteidigt Adorno die gesellschaftsanalytische Arbeit gegen den Vorwurf, die Frankfurter Schule habe resigniert, weil sie sich von der politischen  Praxis fernhielte und sich bei politischen Aktionen nicht beteilige, und er wendet sich gegen politische Pseudo-Aktivitäten.


 Theodor W. Adorno: "Resignation", 1969:

  • "Wer denkt, ist in aller Kritik nicht wütend: Denken hat die Wut sublimiert. Weil der Denkende es sich nicht antun muß, will er es auch den anderen nicht antun. Das Glück, das im Auge des Denkenden aufgeht, ist das Glück der Menschheit. Die universale Unterdrückungstendenz geht gegen den Gedanken als solchen.
    Glück ist er, noch wo er das Unglück bestimmt: indem er es ausspricht. Damit allein reicht Glück ins universale Unglück hinein. Wer es sich nicht verkümmern läßt, der hat nicht resigniert." (Link)


Artikel in Arbeit.

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Quellen:

Google-Statistik "Ungefähr 6 390 Ergebnisse" (verkürztes Zitat)

Google-Statistik "Ungefähr 383 Ergebnisse" (Zitat)

Theodor W. Adorno: "Resignation" (1969), in: Gesammelte Schriften in 20 Bänden, Band 10,2 "Kulturkritik und Gesellschaft II", Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main: 1977, S. 799; Online: (Link)

Dienstag, 29. Dezember 2020

"Nein, es wird keinen Zwang und keine totale Kontrolle geben". George Orwell (angeblich)

Der österreichische Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat diesen Satz auf Twitter mit Anführungszeichen George Orwell untergeschoben und als Quelle "Farm der Tiere, 1984" angegeben. 

  •  " 'Nein, es wird keinen Zwang und keine totale Kontrolle geben', sagt das Wahrheitsministerium (Farm der Tiere, 1984, George Orwell)...." H.C. Strache, 28. Dezember 2020 (Twitter)
1. In George Orwells berühmter satirischer Fabel "Farm der Tiere", in der die Tiere die Macht auf einem Bauernhof übernehmen und das dominante revolutionäre Schwein namens Napoleon an Stalin erinnert, kommt weder ein Wahrheitsministerium noch dieses Zitat vor. 

2. Das angebliche Orwell-Zitat ist aber auch in Orwells Roman "1984" unauffindbar, auch wenn es in diesem Roman bekanntlich immerhin das für Lügen und Fälschungen aller Art zuständige Wahrheitsministerium gibt, in dem Winston Smith, die traurige Hauptfigur dieser Dystopie, arbeiten muss.
 
Da sowohl deutsche Übersetzungen als auch das englische Original "Nineteen Eighty-Four: A Novel" mehrfach digitalisiert sind, kann man sich leicht davon überzeugen, dass in diesem Roman kein Satz mit  der Wendung "totale Kontrolle" oder "total control" vorkommt, obwohl die totale Kontrolle einer Partei über alle Individuen das Thema dieses Romans ist. 
 
 

Parteiparole, "1984":

  • "Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit."
    George Orwell, "1984",
    übersetzt von Michael Walter. (archive.org)
 

Twitter:


Twitter 28. Dezember 2020.

  • "'Nein, es wird keinen Impf-Zwang und keine totale Impf-Kontrolle geben', sagt das Wahrheitsministerium (Farm der Tiere, 1984, George Orwell). 'The Great Reset' von Karl Schwab ist offensichtlich gelebte Praxis und keine Theorie!"
    H.C. Strache, 28. Dezember 2020 Twitter
3. Auch diese zweite Version des Twitter-Zitats stammt von dem ehemaligen FPÖ-Politiker Strache und nicht von George Orwell. 
 
4. Strache scheint auch den Bestseller "The Great Reset" des Gründers des Davoser Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab, den Strache hier irrtümlich "Karl" nennt, nur vom Hörensagen zu kennen. 
 
 
Leute, die glauben, das tödliche Corona-Virus sei von finsteren Mächten erzeugt worden, um eine neue Weltordnung zu installieren, halten Schwabs Buch für einen geheimen Plan, wie man von Genf und Davos aus die Welt unterjochen kann. In den sozialen Medien wird aufgeregt darüber diskutiert (Link).

Andere Leserinnnen und Leser von Schwabs und Thierry Mallerts Buch "Covid 19: The Great Reset" halten es für einen alten Vorschlag mit neuen Marketingsprüchen, wie man den Kapitalismus den Ärmeren der Welt und der Umwelt zuliebe humanistisch reformieren könnte, um möglichen Revolten zuvorzukommen (Link).

  • "So ruft der WEF-Chef zu einem Neustart des Kapitalismus auf. Schwab und seine Veranstaltung rühmten bereits seit einigen Jahren die Idee des sogenannten «Stakeholder-Kapitalismus». Demnach ist es Aufgabe der Unternehmen, nicht nur ihre Gewinne zu maximieren, sondern auch die Interessen anderer Gruppen zu berücksichtigen. Also von Stakeholdern wie ihren Beschäftigten, der Öffentlichkeit und der Umwelt. Nun sieht Schwab die Zeit gekommen, dieses Modell umzusetzen." (Link)
 
 
 Artikel in Arbeit.
 
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Quellen:
George Orwell: "Nineteen Eighty-Four. A novel." Secker and Warburg, London: 1949  (archive.org)
George Orwell: "1984. Roman." Übersetzt von Michael Walter. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Herbert W. Franke. Ullstein, München: 1984; Open Source (archive.org)
George Orwell: "Animal Farm. A fairy story." (1945) Introduction an notes by Laurence Brander, Longmans, Green and Co, London: 1964 (archive.org)
 
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Dank:
Ich danke Wolfgang Gruber für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.
 
 
 
 
 
 

Donnerstag, 3. Dezember 2020

"Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom." Albert Einstein (angeblich)


Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Es gibt keinerlei Beleg dafür, dass Albert Einstein jemals gesagt oder geschrieben hat, es sei leichter ein Atom zu zertrümmern als ein Vorurteil, und das Zitat kommt auch weder so noch so ähnlich in Alice Calaprices Standardwerk "The Ultimate Quotable Einstein" vor.

Geprägt hat diesen Aphorismus im Jahr 1945 der amerikanische Sozialpsychologe Ronald Lippitt in der Zeitschrift "The Journal of Social Issues", und es ist seit damals in soziologischer und psychologischer Fachliteratur auch nicht vergessen, dass der Aphorismus von Lippitt stammt, auch wenn er inzwischen in unterschiedlichen Varianten zehntausendfach in vielen Sprachen Albert Einstein untergeschoben wird.


  • "In 1945,  Ronald Lippitt declared:  'It is now easier to smash an atom than to break a prejudice." (Link) 
    Ronald Lippitt: "The Journal of Social Issues", August 1945, Vorwort, S.  1,  Ben Sun Kim, 1986 (Link)

 

Entwicklung des Kuckuckszitats:

 

Noch zu Lebzeiten Albert Einsteins wird ihm Ronald Lippetts Zitat das erste Mal unterschoben: Ohne Quellengabe und, wie es bei Kuckuckszitaten üblich ist, mit einem phantasievollen Zusatz.

1954

  •  "What a sad epoch this is! It is easier to smash an atom than a prejudice. - Einstein" (Link)
    The Bombay Civic Journal, Vol1. No. 10, Dezember 1954, S. 16 (books.google)

Auf Deutsch taucht das Zitat in den 1960er Jahren auf, in Zeitungen, die man als wissenschaftliche Quelle nicht ernst nehmen kann.

 

1966

 Pseudo-Albert-Einstein-Zitat, NWZ , 8. Februar 1966, S. 19  (Link)
  • "Welch triste Epoche, in der es leichter ist, ein Atom zu zertrümmern als ein Vorurteil."
    Nordwest Zeitung, Ausgabe Oldenburger Kreiszeitung, NWZ Nr. 32 vom 8. Februar 1966, S. 19 (via genios.de (Link)

1969

  • "It was Einstein who said that it is far easier to smash an atom than to smash a prejudice ."

1973

  • "It is much more difficult to break down a prejudice than to split the atom . Albert Einstein"

Seit den 1970er Jahren wird das Kuckuckszitat auf Deutsch am häufigsten in folgendem Wortlaut verbreitet:

1973

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

  • "Von Albert Einstein gibt es ein Bonmot, das auch auf die PR-Bemühungen der Banken zutrifft: 'Es ist schwieriger, eine vorgefaßte Meinung zu zertrümmern als ein Atom'."  (books.google)

1979

  • "As Einstein said, it is so much easier to break the atom than to break a myth".

 1982

  • "Another scientist, Albert Einstein, thought it easier to smash an atom than to smash a prejudice."

 1995

  • "Albert Einstein once said that it is harder to shatter prejudices than to split the atom".
Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.
 

Seit den 1990er Jahren wird das Zitat in unterschiedlichen Varianten auch in angesehenen deutschen Zitatelexika wie Harenberg und Duden Albert Einstein fälschlich zugeschrieben.

2004

  • "As Albert Einstein (as cited in Student Alumni Connection, 2003) said, "It is easier to split an atom than to get rid of a prejudice."

 2012

  • "Einstein asserted that is was easier to split an atom than to break down a prejudice …" 

 2013

  • "Nun wusste schon Albert Einstein, dass es schwieriger ist, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom."
    Handbuch zur intellektuellen Selbstverteidigung, 2013  (agenda-austria.at)
Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Entstanden könnte dieses weltweit beliebte Pseudo-Einstein-Zitat auch durch eine Fehlerinnerung an einen Satz aus einem Einstein-Interview sein, das am 23. Juni 1946 mit dem Titel "The Real Problem Is in the Hearts of Men" in der New York Times erschienen ist:
 

Albert Einstein, 1946: 

 

NYT Magazine, 23. Juni 1946,  S. 42 (Link);
  • "it is easier to denature plutonium than to denature the evil spirit of man".
  • "Es ist einfacher, radioaktives Plutonium zu entsorgen als das Böse im Menschen." (Link)
 In der Einstein-Forschung wird aber bezweifelt, ob das wirklich Albert Einstein so gesagt hat, da er seinem Freund Carl Seelig gegenüber abgestritten haben soll, der Urheber dieses Bonmots zu sein (forum-einstein). [Ich habe den fraglichen Brief noch nicht gelesen.]

 

 Varianten des Kuckuckszitats:


  • "It is harder to crack a prejudice than an atom."
  • "It is easier to break an atom than a prejudice."
  • "It is more difficult to crack prejudice than to split the atom."
  • "What a sad era when it is easier to smash an atom than a prejudice."
  • "It is very depressing to live in a time where it's easier to break an atom than a Prejudice."
  • "XY asked Einstein: 'Is it possible to break an atom?" And he answered thoughtfully: "no, no, no, It's easier to break a prejudice.'" 
  • "Welch triste Epoche, in der es leichter ist, ein Atom zu zertrümmern als ein Vorurteil."
  • "Es ist schwieriger eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom."
  • " Il est plus facile de briser un atome que de briser un préjugé. "
  • "È più facile spezzare un atomo che un pregiudizio."
  • "Es más fácil desintegrar un átomo que un prejuicio." 
 
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass dieses Zitat jemals in einem Text Albert Einsteins gefunden werden wird.
 
Artikel in Arbeit.

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Quellen:
genios.de
Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011
Alice Calaprice: "Einstein sagt: Zitate, Einfälle, Gedanken", Vorwort von Freeman Dyson; übersetzt von Anita Ehlers, Piper Verlag, München / Berlin: 2015 ebook (Link)  Kapitel: "Einstein zugeschrieben"
Einstein Archives Online  alberteinstein.info 
Einstein Archives Online Database (Link)
 
Albert Einstein Archiv Online (Link)  
Albert Einstein in an interview with Michael Amrine: "'The Real Problem Is in the Hearts of Men'; Professor Einstein says a new type of thinking is needed to meet the challenge of the atomic bomb" New York Times, 23. Juni 1946, Magazine, S. 7,  42-44 (Link); S. 42 (Link);  (bools.google)  
Ronald Lippitt: "The Journal of Social Issues", August 1945, Vorwort, S. 1 [vorläufig zitiert nach Ben Sun Kim, 1986 (Link)
Nordwest Zeitung, Ausgabe Oldenburger Kreiszeitung, NWZ Nr. 32 vom 8. Februar 1966, S. 19 (via genios.de (Link) 

"Harenberg Lexikon der Sprichwörter u. Zitate: mit 50000 Einträgen das umfassendste Werk in deutscher Sprache." (1997) 3. Auflage 2002, Harenberg Verlag, Dortmund: 2002, S. 840 "Es ist schwieriger ..." 

Dudenredaktion: Duden - Zitate und Ausspüche, Band 12, Duden Verlag, Mannheim: 1993, S. 771f. "Welch triste Epoche..."

"Handbuch zur intellektuellen Selbstverteidigung" 2013 (Agenda Austria

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Dank:

Ich danke Ralf Bülow sehr für die Entdeckung des Ursprungs des Zitats bei Ronald Lippitt.


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ANHANG
 
Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.
 
Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

 
Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.




Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Montag, 30. November 2020

"Psychoanalyse ist die Kunst, von einem Patienten das ganze Jahr zu leben." Karl Kraus (angeblich)

Pseudo-Karl-Kraus-Zitat.

Karl Kraus hat einige Aphorismen gegen die Psychoanalyse verfasst, aber dieser Witz, der laut Soma Morgenstern noch zu Lebzeiten Sigmund Freuds in Wiener Ärztekreisen gut bekannt war, stammt nicht von dem Satiriker.

Erst im 21. Jahrhundert wurde dieser von einer unbekannten Person geprägte Ärztewitz Karl Kraus untergeschoben. 

Die Online-Zitatsammlung aphorismen.de gibt als Quelle für das Kuckuckszitat Karl Kraus' 1909 erschienene Aphorismus-Sammlung "Sprüche und Widersprüche" an, aber diese Quellenangabe ist falsch, wie man leicht überprüfen kann, da dieses Buch von Karl Kraus mehrfach digitalisiert ist (textlog.de).  

Das Zitat ist weder so noch so ähnlich in einem Text von Karl Kraus zu finden.

Die falsche Zuschreibung ist vielleicht im Jahr 2009 in einem Internet-Forum enstanden, aber inzwischen wird das Zitat nicht nur in den Sozialen Medien verbreitet, sondern zum Beispiel auch von einem Schriftsteller wie Peter Schneider, obwohl er im selben Artikel die Verwendung eines falschen Karl-Kraus-Zitats kritisiert:

 2017

  • "Krausens bekanntestes Diktum lautet, dass die Psychoanalyse die Geisteskrankheit sei, für deren Therapie sie sich hält. Ein anderes: Sie sei mehr eine Leidenschaft als eine Wissenschaft. Am besten von den paar einschlägigen Äusserungen Kraus’ gefällt mir: «Psychoanalyse ist die Kunst, von einem Patienten das ganze Jahr zu leben.» "
    27. April 2017 (tagesanzeiger.ch)

 

 

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Quellen:

Google

Karl Kraus: "Die Fackel", 37 Jahrgänge, Nr. 1-917, 1899-1936, digitale Edition: Österreichische Akademie der Wissenschaften, AAC DIE FACKEL    

Karl Kraus: "Sprüche und Widerspüche", in: Karl Kraus: Schriften. Herausgegeben von Christian Wagenknecht. Band 1–20. Suhrkamp, Frankfurt: 1986–1994. Band 8, Aphorismen, Suhrkamp Verlag: 1987 (Link) (textlog.de) 

7. Januar 2009 dict.leo.org/forum,  Verfasser Heinz H (243376)  Früheste falsche Zuschreibung.

27. April 2017, (tagesanzeiger.ch), auch in: Peter Schneider: "Nichts Genaues weiss man nicht: Kolumnen", Zytglogge Verlag, Basel: 2018 ebook (Link)

aphorismen.de - 175911

Soma Morgenstern: "Kritiken, Berichte, Tagebücher" zu Klampen, Lüneburg: 2001, S. 151  (books.google) 

 

 

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ANHANG


 

Donnerstag, 26. November 2020

"Wer nicht genießt, wird ungenießbar." Friedrich Schiller (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Schiller-Zitat.

Dieser durch ein Lied Konstantin Weckers populär gewordene Aphorismus wird seit etwa 5 Jahren nicht nur in den Sozialen Medien Friedrich Schiller unterschoben, sondern auch in angesehenen Zeitungen: 

2015

  • "Frage: «Wer nicht geniesst, wird ungeniessbar», schrieb Friedrich Schiller. Hatte der Autor recht?
    Antwort: Genuss ist tatsächlich ein Antidepressivum. Depression und Genusskompetenz hängen zusammen. Treten Depressionen auf, kann die Genussfähigkeit verloren gehen. Man spricht vom sogenannten hedonistischen Defekt."
    «Geniesser kennen die Grenzen» Interview von Nicole Althaus mit Marlies Gruber, NZZaS Stil-Magazin 3. Mai 2015, Nr. 18, S. 22 (via genios.de)
2016
  • "Jetzt soll mir niemand mit dem Spruch 'Wer nicht genießt, ist ungenießbar' kommen! Er stammt zwar angeblich gar nicht von Konstantin Wecker, sondern von Friedrich Schiller, aber dieser hatte auch nicht immer recht."
    Die Presse, 3. Februar 2016 (Link)

 In den mehrfach digitalisierten Schriften Friedrich Schillers oder Johann Wolfgang Goethes, dem das Zitat auch vereinzelt zugeschrieben wird, ist dieses Kuckuckszitat so wenig zu finden wie in relevanten Lexika.

 Konstantin Wecker hat sein Lied "Wer nicht genießt, ist ungenießbar" 1978 in dem Album "Eine ganze Menge Leben" veröffentlicht, doch wurde dieser Aphorismus schon 11 Jahre davor von dem Autor und Philosophen Arno Plack geprägt, wie Ralf Bülow herausgefunden hat.

 

1967

Arno Plack: "Die Gesellschaft und das Böse: eine Kritik der herrschenden Moral",1967, S. 77 (books.google).


Artikel in Arbeit.

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Quellen: 

Google

Arno Plack: Die Gesellschaft und das Böse: eine Kritik der herrschenden Moral, List Verlag, München: (1967) 1969, S. 77 (books.google)

 Konstantin Wecker: "Wer nicht genießt, ist ungenießbar" , in Album: "Eine ganze Menge Leben (1978)

«Geniesser kennen die Grenzen» Interview von Nicole Althaus mit Marlies Gruber, NZZaS Stil-Magazin 3. Mai 2015, Nr. 18, S. 22 (via genios.de) 

Die Presse, 3. Februar 2016 (Link)

Twitter


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Dank:

Ich danke @liulen11 für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat sowie Ralf Bülow für seine Recherchen.