Samstag, 15. Dezember 2018

"I bin's, dei Präsident." Josef Holaubek (angeblich)

Der Wiener Polizeipräsident Josef ("Joschi") Holaubek näherte sich 1971 unbewaffnet einem bewaffneten Geiselnehmer angeblich mit den Worten, "Kumm auße, I bin's, dei Präsident", und konnte so durch Verhandlungen am dritten Tag nach einem Gefängnisausbruch die Geiselnahmen friedlich beenden und einen der drei Ausbrecher festnehmen.

In Österreich ist dieser Ausspruch berühmt und dieser sozialdemokratische Polizeipräsident eine Legende, weil es ihm gelang, eine gefährliche Situation nicht durch Gewalt, sondern durch Reden zu lösen.

Holaubeks Ausspruch wird in verschieden Varianten zitiert:
Josef Holaubek selbst hat seinen Satz etwas anders in Erinnerung:
  • "'Du, I bin der Polizeipräsident.' - In dem Sinn hab i mit ihm verhandelt und habe Erfolg gehabt."
    Josef Holaubek, 2. Juli 1995 tvthek.orf.at/archive 2:08
  • "Ich hab natürlich net ›I bin's, dei Präsident g'sagt‹. Sondern ›I bin's, der Präsident!‹ Wir waren ja net per du. Aber den Leuten hat's so besser gefallen, und deshalb wird's mir wohl auch so bleiben."
    Josef Holaubek, in: Georg Markus: "Unter uns gesagt: Begegnungen mit Zeitzeugen", 2008 (Link)

Inzwischen sind viele amüsante Anspielungen auf Josef Holaubeks berühmten Satz entstanden:

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Quellen:
"'I bins, dein Präsident': 40 Jahre danach", 2. November 2011, noe.orf.at
Georg Markus: "Unter uns gesagt: Begegnungen mit Zeitzeugen", Amalthea, Wien: 2008, Ebook books.google
Wikipedia

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Dank:
Der Wikipedia-Artikel war wieder einmal sehr hilfreich. Danke.

In Arbeit.

"Den Charakter eines Volkes erkennt man auch daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht.“ Raymond Aron (angeblich)

Dieser Spruch kam um 2004 in einem Milieu auf, in dem man oft darüber klagt, wie schlecht ehemalige Soldaten der Wehrmacht in Deutschland behandelt werden.
Pseudo-Charles-de-Gaulle-Zitat.
 Ursprünglich wurde der Spruch Charles de Gaulle unterschoben, später dann dem deutschen Historiker Leopold von Ranke und dem französischen Soziologen Raymon Aron. In keinem ihrer Texte ist dieses Zitat zu finden: weder auf Deutsch, Französisch oder Englisch.
Pseudo-Leopold-von-Ranke-Zitat.

 Dieses im rechten politischen Spektrum beliebte Internet-Zitat wird anscheinend Autoritäten unterschoben, damit die eigene Meinung ernster genommen wird.

Der von einer unbekannten Person geprägte Spruch ist vielleicht aus dem Mahatma Gandhi unterschobenen Aphorismus entstanden, wonach die Moral einer Gesellschaft danach zu messen ist, wie sie ihre Tiere behandelt.

Wer nicht wie ein Schwindler dastehen will, sollte das de-Gaulle-von-Ranke-Aron-Zitat nicht ohne Nachweis einer authentischen Quelle verwenden.


Entwicklung des Kuckuckszitats:


2002
  • "Die Moral einer Gesellschaft ist auch daran zu messen, wie sie ihre Tiere behandelt."(Mahatma Gandhi unterschoben)
    books.google 

2004
  • Im Ausland ist man schon seit langem über den barbarischen Vandalismus, die Schändung und Zerstörung von Grab- und Gedenkmalen für die Soldaten zweier Weltkriege, entsetzt - über den auf deutschen Friedhöfen genauso wie über den in den hiesigen Medien oder in der ideologisierten Geschichtsschreibung. Dazu seinerzeit de Gaulle über die Deutschen: "Den Charakter eines Volkes erkennt man auch daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht." Seinen bitteren Kommentar über das Nachkriegsdeutschland würde de Gaulle heute noch schärfer, verächtlicher formulieren.
    2004: de.soc.politik.misc › Moralischer Vandalismus - der deutsche Sonderweg /groups.google.com/forum
2006
  • "'Den Charakter eines Volkes erkennt man daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht', lautet eine vielzitierte Erkenntnis Charles de Gaulles. Der deutsche Nationalcharakter ist hierin fraglos schizophren".
    www.jungefreiheit.de 47/06 17. November 2006 (Link)

Twitter



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Quellen:

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
2004: de Gaulle, de.soc.politik.misc › Moralischer Vandalismus - der deutsche Sonderweg /groups.google.com/forum
2004?:  de Gaulle, .wolfgang-leistritz.de
2005: Charles de Gaulle, "Den Charakter eines Volkes erkennt man daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht."
 groups.google.com
2007: de Gaulle, forum.west-wall.de
2008: de Gaulle, schatzsucher.de
2009: anonym forum.die-staemme.de
2010: Leopold von Ranke, neues-forum.info
2010: de Gaulle, pi-news.net
2108: Raymond Aron, Twitter


Artikel in Arbeit. 

"Eine Armee ist bestimmt dann ganz demokratisch, wenn ein Oberleutnant damit rechnen muß, daß sein Rekrut von heute sein Bürovorsteher von morgen sein kann." Dwight D. Eisenhower (angeblich)

Dieser Satz wird nur auf Deutsch und nur im Internet verbreitet und ist in den digitalisierten Büchern weder auf Englisch noch auf Deutsch zu finden. Auch in englischen Eisenhower-Zitate-Sammlungen kommt der Satz weder so noch so ähnlich vor.

Wer ernst genommen werden will, sollte diesen Satz nur zitieren, wenn er eine authentische Quelle dafür nennen kann, da dieses angebliche Eisenhower-Zitat höchstwahrscheinlich ein Kuckuckszitat ist.

Twitter





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Quellen:

Beispiele für falsche Zuschreibungen:

2004: "Historische Zitate für den Warhammer Abend" .tabletopwelt.de  (frühe Zuschreibung)
zitate.net/rekruten-zitate
gutzitiert.de
dicocitations.lemonde.fr/zitat-des-tages
zitate.eu


Donnerstag, 13. Dezember 2018

„Inder, Türken, Hottentotten sind sympathisch alle drei, wenn sie leben, lieben, lachen, fern von hier in der Türkei ..." Heinrich Heine (angeblich)

Diese hämischen, erbärmlich holprigen Verse haben mit dem brillanten deutschen Dichter Heinrich Heine, der engstirnige deutsche Patrioten gerne verspottete, gar nichts zu tun.

Erstmals aufgetaucht sind diese dümmlichen Zeilen 135 Jahre nach Heines Tod in einem Leserbrief an den Kölner Stadt-Anzeiger am 29. November 1991. Schon damals wandten sich Leute an das  Heine-Institut mit der Frage, ob diese Verse wirklich von Heinrich Heine stammten.

Hätte der Urheber dieser Verse sie unter seinem eigenen Namen publiziert, wären sie kaum sehr weit aus einem Kellerlokal fanatischer Nationalisten herausgekommen.

Unter dem erlogenen Dichternamen "Heinrich Heine" kamen die Zeilen aber über das ausländerhassende Milieu hinaus, da sie im 21. Jahrhundert auch durch Zeitungen wie der Kronen Zeitung und von Leuten wie Erika Steinbach und H.C. Strache auf Twitter und Facebook verbreitet wurden.

Seit 1991 weisen anerkannte Kennerinnen und Kenner der Werke Heinrich Heines (zum Beispiel im Heine-Jahrbuch von 1993 oder im Nordkurier 2018) auf Anfragen darauf hin, dass die Zuschreibung dieser Verse an Heinrich Heine erlogen und falsch ist.

Trotzdem wird mit diesem angeblichen Heine-Gedicht weiter Stimmung gegen Ausländer gemacht, auch wenn es noch niemand in einem Text Heinrich Heines, der als Ausländer  in Paris gestorben ist, gefunden hat.

Pseudo-Heinrich-Heine-Zitat:


  • "Inder, Türken, Hottentotten sind sympathisch alle drei,
    wenn sie leben, lieben, lachen, fern von hier in der Türkei.

    Doch wenn sie in hellen Scharen, wie der Maden in dem Speck
    in Europa nisten wollen, ist die Sympathie bald weg."
Pseudo-Heinrich-Heine-Zitat.


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Quellen:
Heinrich-Heine-Portal, Suchmaschine uni-trier.de
Heine-Jahrbuch 1993: books.google (bibliographische Angaben folgen)
nordkurier.de/kultur-und-freizeit/heinrich-heine-schrieb-nie-ueber-inder-tuerken-hottentotten-3131118201.html
Kronen Zeitung: zeitzuender.wordpress.com/2012/08/13/hetzerei-mit-falschem-heine-gedicht-uber-turken-und-inder-und-hottentotten-schwarze/

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
1991: Kölner Stadt-Anzeiger, zitiert nach Heine-Jahrbuch 1993
2009: pi-news.net/2009/07
2012: Kronen Zeitung  (Link) (inzwischen gelöscht)
2013:  michael-mannheimer.net
2016: deutschelobbyinfo.com/
2017: Erika Steinbach Twitter (inzwischen gelöscht)
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Dank:
Ich danke Tobias Blanken für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat sowie Winfried Werner Linde und Julian Röpcke für ihre Recherchen dazu.

Artikel in Arbeit.

"Der Hauptgrund für Stress ist der tägliche Kontakt mit Idioten." Albert Einstein (angeblich)

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Dieses Pseudo-Albert-Einstein-Zitat ist noch keine zehn Jahre alt und nicht nur auf Facebook und Twitter inzwischen ziemlich beliebt

Der "lustige Spruch" wurde von einer unbekannten Person geprägt und auf Twitter das erste Mal Albert Einstein am 5. September 2016  zugeschrieben, in Zeitungen am 5. Oktober 2016 (laut genios.de).

In Büchern wird dieses Zitat laut einer Google-Books-Suche erst seit dem Jahr  2018 Albert Einstein untergeschoben.

Wer den Spruch (etwa auf Facebook) als Erster Albert Einstein zugeschrieben hat, ist unbekannt. 

 Auf Twitter war das Zitat als "lustiger Spruch" schon Monate vor der falschen Zuschreibung an Albert Einstein beliebt.

 

Beispiele für Tweets mit dem Spruch ohne Zuschreibung an Albert Einstein: 

 2. April 2016:


Twitter, 2. April 2016; ohne Zuschreibung an Einstein.
5. September 2016:
Twitter, 5. September 2016 (Link); ohne Zuschreibung an Einstein.  

Da der Spruch Albert Einstein ohne ersichtlichen Grund erst ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod zugeschrieben wurde, immer ohne Quellenangabe zitiert wird, weder in den digitalisierten Texten Albert Einsteins noch in seriösen Nachschlagwerken zu finden ist, ist dieses Zitat ein typisches Kuckuckszitat des 21. Jahrhunderts.

 

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.


Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass dieser Satz, der auf Englisch nahezu unbekannt ist, jemals in einem Text oder Interview Albert Einsteins gefunden werden wird.

 

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 Unterstützen Sie ZITATFORSCHUNG bitte entweder mit PayPal, mit Kreditkarte oder um 2,5€ pro Monat mit  STEADY.  - Danke.
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Quellen:

Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011 (Das Zitat wird weder so noch so ähnlich erwähnt.)
 Alice Calaprice: "Einstein sagt: Zitate, Einfälle, Gedanken", Vorwort von Freeman Dyson; übersetzt von Anita Ehlers, Piper Verlag, München / Berlin: 2015 (Das Zitat wird weder so noch so ähnlich erwähnt.)
Arsenal of Wisdom:  "Falsche Zitate: Einstein und die Idioten", Blog-Artikel, 1. Dezember 2016 (arsenal-of-wisdom)
 
Beispiele für falsche Zuschreibungen des Witzes an Albert Einstein: 

Twitter:  5. September 2016; (Der Link zu der Quelle auf Facebook funktioniert nicht mehr.)
Mitteldeutsche Zeitung, 5. Oktober 2016 (genios.de, kostenpflichtig)
Hans-Erich Kirsch: "Das kleine Dorf und sein Schriftsteller", edition-winterwork, Borsdorf: 2018 ebook (Link) 
Alexander Paufler: "Führung - Kreativität - Innovation: Ein Leitfaden mit Denkstrategien und Denktaktiken für innovative Köpfe. SpringerGabler, Wiesbaden: 2019 S. 104 (Link)




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Dank:
Ich danke Eduard Habsburg für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.

Letzte Änderungen: 14/9 2019; 4/10 2021 (Schwerpunkt auf Twitter; Streichung aller Nachweise in Foren, da deren Datierungen unsicher sind.).