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Mittwoch, 29. November 2023

"Wenn die stade Zeit vorbei ist, dann wird's auch wieder ruhiger." Pseudo-Karl-Valentin-Zitat.

 

Pseudo-Karl-Valentin-Zitat.

Karl Valentin starb 1948 und mehr als 60 Jahre nach seinem Tod wurde ihm dieses Zitat erstmals zugeschrieben.

In seinen Schriften hat es noch niemand gefunden, und wenn man sich die Entwicklungsgeschichte dieses Zitats anschaut, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es jemals in einem seiner Texte oder Filme gefunden werden wird.

Der paradoxe Witz, es könne nach einer stillen Zeit noch ruhiger werden, klingt nach Karl Valentin, stammt auch aus Bayern, aber von einer unbekannten Person, die wohl mit dem Wortwitz von Karl Valentin vertraut war.

In den digitalisierten Zeitungen tauchte das Zitat zum ersten Mal in einem Grußwort eines bayrischen Landrats am 21. Dezember 2013 auf:

  • . "'Wenn die staade Zeit vorbei ist, dann wird's wieder ruhiger', zitierte Landrat Michael Fahmüller in seinem Grußwort Karl Valentin."
    Passauer Neue Presse, 21. Dezember 2013,  Lokales, Pfarrkirchen
    (Link)
Ein paar Tage später wurde das Zitat schon auf Facebook übernommen:

  • "Jetzt wenn dann die stade Zeit vorbei ist, konns endlich wieder ruhiger werden .... in diesem Sinne, wünsche ich Euch allen ein Frohes Weihnachten!" 24. Dezember 2013 (facebook.com)
Im Jahr darauf findet man es auch erstmals auf Twitter:
  • "wenn die stade Zeit vorbei ist, wird's auch wieder ruhiger (nach Valentin)" 26. Dezember 2014 (Twitter)

Richtig beliebt wurde das Zitat in den Sozialen Medien und in Zeitungen aber erst seit der Adventszeit 2015, wie man durch eine chronologische Suche mit der Zeitungssuchmaschine genios.de ersehen kann.

2015
  • "'Wenn die stade Zeit vorbei ist, wird′s wieder ruhiger', soll der geniale Karl Valentin einmal gesagt haben." 
    Kronen Zeitung, 6. Dezember 2015 (genios.de)

Der Satz wird seit zehn Jahren in verschiedenen Varianten immer ohne Quellenangabe zitiert, in den ersten Jahren noch öfters mit Einschränkungen wie: "Karl Valentin soll gesagt haben ...".

Wer dieses angebliche Karl-Valentin-Zitat vor etwa zehn Jahren geprägt hat, ist noch unbekannt. These: Ein Redenschreiber von Landrat Fahmüller könnte es irgendwo aufgeschnappt haben.


Artikel in Arbeit. Vielleicht findet jemand einen Beleg noch vor dem Jahr 2013.

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Quellen:
Anonym:  "Anerkennung für das Engagement: Wilhelm Wilfersegger legt sein Amt beim BRH nieder - Adventfeier mit musikalischer Umrahmung" Passauer Neue Presse, vom 21. Dezember 2013,  Lokales, Pfarrkirchen  https://www.genios.de/document/PNP__8e7cd4d1316b3d8b80f05be924d816e1e75cb5c8

Erstmals auf Facebook: Markus Sch., 24. Dezember 2013 (facebook.com)
Erstmals auf Twitter: 26. Dezember 2014 (Twitter)
Erstmals in einer Zeitung außerhalb von Bayern:
Kronen Zeitung, 6. Dezember 2015 
(genios.de)

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Dank:
Ich danke 
@AndreasP_RV
 für den Hinweis und Maximilian Büch für die Frage und seine Recherche beim Valentin-Musaeum zu diesem Zitat. 





Donnerstag, 2. Dezember 2021

"Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach." Karl Valentin (angeblich)

Pseudo-Karl-Valentin-Zitat.

Seit ungefähr 2008 wird dieser Satz immer ohne Quellenangabe Karl Valentin zugeschrieben, davor war der Spruch schon jahrelang in Deutschland ohne diese falsche Zuschreibung beliebt.

Es ist nach dieser Quellenlage sehr unwahrscheinlich, dass dieser anonyme Spruch, der Ende des 20. Jahrhunderts unter deutschen Pädagogen als "Fundamentalsatz über Eltern und ihre Kinder" galt, jemals in einem Text Karl Valentins gefunden werden wird.


Entwicklung des Kuckuckzitats. Einige Beispiele:


 Ohne Zuschreibung an Karl Valentin stand der witzige Aphorismus zum Beispiel im Jahr 1992 als Überschrift einer Glosse in der TAZ, 1999 als Motto in einer Seminararbeit und im Jahr 2001 in einem Bericht über eine Schulversammlung in der 'Saarbrücker Zeitung'.
 
 
1992
  • "Erziehung ist zwecklos: Die machen sowieso alles nach."
     
    TAZ 5. September 1992 (Link)
1993
Jürgen Böhm: "Deutsch-Stunden: Aufsätze: was Jugendliche von der Einheit denken."1993 (Link)
  • " Es gibt einen Fundamentalsatz über Eltern und ihre Kinder, ein Wort, das mehr wiegt als tausend pädagogische Wörter:
    'Man erzieht und erzieht - und dann machen sie einem doch alles nach ...'"

    Jürgen Böhm: "Deutsch-Stunden: Aufsätze: was Jugendliche von der Einheit denken", Argon, Berlin: 1993, S. 6 (Link)
1999
  • "' Kinder kann man nicht erziehen, sie machen einem sowieso alles nach.'

    Dieser landläufige Ausspruch kam mir während der Studienwoche über Lernpsychologie in den Sinn, als die Theorie des Lernens am Modell vorgestellt wurde."

    Martin Stehli: "Lernen als Modell", Seminararbeit 1999 (Link)

2001
  • "Ein Lehrer riet, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und auch das eigene Verhalten zu überdenken. Sein Rat:
    'Wir sollten aufhören, unsere Kinder zu erziehen. Sie machen uns sowieso alles nach.'"
    Saarbrücker Zeitung, 8. März 2001 (genios.de, kostenpflichtig)

Vereinzelt gilt die Schauspielerin Ida Ehre als Urheberin des Spruchs:
 
2002
  • "Die Schauspielerin Ida Ehre hat einmal gesagt, Kinder könne man nicht erziehen, die machten sowieso alles nach."
    Marie-Luise Dött (CDU/CSU), Deutscher Bundestag, 13. Juni 2002, S. 24272 (Link)
2006
  • "Erst viel später erkannte ich die Weisheit des Spruchs: Es hat keinen Zweck, Kinder zu erziehen, sie machen uns alles nach." 
    Meinhard Schröder:
    "Frauen an den Herd!: und andere meist heitere Geschichten nebst einigen Gedichten."
    (Link) 
 
Im Wiener 'Kurier' wurde im Jahr 2008 der Spruch ohne Begründung in einem anonymen Artikel über Suchtvorbeugung erstmals Karl Valentin zugeschrieben (wobei frühere falsche Zuschreibungen nicht auszuschließen sind).
 
2008
  • "'Wir können unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns eh alles nach', wusste schon Karl Valentin."
    "Eltern prägen und sind die Vorbilder", Redaktion Kurier, 24. Februar 2008 
    (Link)
 
2009
  • "»Erziehung ist zwecklos; die Kinder machen den Eltern ohnehin alles nach.« Karl Valentin"

    Stefan Bonner, Anne Weiss "Doof it yourself: Erste Hilfe für die Generation Doof "  (Link)
 
Stefan Bonner, Anne Weiss "Doof it yourself: Erste Hilfe für die Generation Doof " (Link)
 
2010
  •  "Erziehung ist zwecklos; die Kinder machen den Erwachsenen ohnehin alles nach. Karl Valentin" (Link)
2011
  • "Karl Valentin hat mal behauptet: »Kinder brauchen nicht erzogen werden, sie machen uns eh alles nach.«" (Link)
 
 Seit dem Jahr 2015 steht das Falschzitat auch in Fachbüchern von angesehenen Verlagen:

 
2015
  • "Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach (Karl Valentin)."

    Norbert M. Seel, Ulrike Hanke: "Erziehungswissenschaft: Lehrbuch für Bachelor-, Master- und Lehramtsstudierende."  Springer VS (Link)

2016

  • "Karl Valentin bringt dies wunderbar auf den Punkt: »Erziehung ist zwecklos, die Kinder machen uns sowieso alles nach!« (ein Zitat, das ich meiner Kollegin Kathrin Zach verdanke)."
    Dagmar Kumbier: "Aufstellungsarbeit mit dem Inneren Team." Klett-Cotta  (Link)

2017

  • "Karl Valentin hat einmal gesagt: 'Erziehung ist zwecklos. Denn Kinder lernen immer vom Vorbild'.  Für Chefs gilt das Gleiche." (Link)
Undatiert
  • "Karl Valentin hat mal gesagt: »Erziehung nützt nix – die machen einem eh alles nach." (Link)

2021

  •  "Karl Valentin soll einmal gesagt haben: 'Kinder muss man nicht erziehen, sie machen einem ohnehin alles nach.'" (Link)

Dieser variantenreiche Spruch könnte ursprünglich von der 1989 verstorbenen Schauspielerin Ida Ehre stammen, wie Moritz Jacob herausgefunden hat.
 
Allerdings fehlen für diese Vermutung noch Belege aus dem 20. Jahrhundert, und wahrscheinlich stellt sich einmal heraus, dass der Spruch, so wie viele Sprichwörter und Witze, anonymen Ursprungs ist.
 

 Weitere Karl-Valentin-Kuckuckszitate:

 

 


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Quellen:
 
Clemens Walter: "Erziehung ist zwecklos: Die machen sowieso alles nach."  TAZ, 5. September 1992 (Link)
Jürgen Böhm: "Deutsch-Stunden: Aufsätze: was Jugendliche von der Einheit denken", Argon, Berlin: 1993, S. 6 (Link)
Martin Stehli: "Lernen als Modell", Seminararbeit, 1999 (Link)  
Saarbrücker Zeitung, 8. März 2001, unsignierter Artikel mit der Überschrift: "'Den Kindern eine Chance geben' / 'Was tun, wenn mein Kind kifft?': Die 'Saarbrücker Zeitung' und die Realschule St. Wendel hatten zur Diskussion geladen." (genios.de, kostenpflichtig)
Marie-Luise Dött (CDU/CSU),  Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, – 14. Wahlperiode – 242. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 13. Juni 2002, S. 24272 (Link)
 Meinhard Schröder: "Frauen an den Herd!: und andere meist heitere Geschichten nebst einigen Gedichten." Mystory Verlag, Berlin: Undatiert (2006), S. 161 (Link) 
Stefan Bonner, Anne Weiss "Doof it yourself: Erste Hilfe für die Generation Doof " Bastei Lübbe, Köln: 2009  ebook (Link)
Norbert M. Seel, Ulrike Hanke: "Erziehungswissenschaft: Lehrbuch für Bachelor-, Master- und Lehramtsstudierende."  Springer VS, Berlin / Heidelberg: 2015,  S. 522 (Link)
Dagmar Kumbier: "Aufstellungsarbeit mit dem Inneren Team. Methoden- und Praxisbuch für Gruppen." (Leben Lernen, Bd. 282).Klett-Cotta, Stuttgart: 2016, S. 45  (Link)
 
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Dank:
Ich danke Felix Lindner  für seinen Hinweis auf das Falschzitat sowie Ralf Bülow und Moritz Jacob für ihre Recherchen zu dessen Vorgeschichte. Die Belege aus dem 20. Jahrhundert verdanke ich Moritz Jacob.
 
Artikel in Arbeit.