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Samstag, 21. April 2018

"Ein Mann soll in seinem Leben einen Baum pflanzen, ein Haus bauen und einen Sohn zeugen." Martin Luther (angeblich)


Das alte Sprichwort wird neben einigen anderen auch manchmal Martin Luther zugeschrieben, ist aber in seinen Schriften nicht gefunden worden.

Der Ursprung des Sprichworts steht in zwei Quellen: im Babylonischen Talmud und in Montesquieus Briefroman "Persische Briefe".

Babylonischer Talmud, Traktat Sota

  • "Unsere Rabbanan lehrten: 'Der gebaut hat, der gepflanzt hat, der verlobt hat.' Die Tora lehrt damit eine Lebensregel, daß der Mensch zuerst ein Haus baue, einen Weinberg pflanze und erst dann eine Frau nehme."
    Talmud, Traktat Sota VIII
    Fol. 44a, übersetzt von Lazarus Goldschmidt, S. 152f. (4016f.) (Link)
  • "Our Rabbis taught: [The order of the phrases is] 'that hath built', 'that hath planted', 'that hath betrothed'. The Torah has thus taught a rule of conduct: that a man should build a house, plant a vineyard and then marry a wife."
     Babylonian Talmud: Tractate Sotah Folio 44a (Link)

Montesquieu: "Persische Briefe"


Montesquieus Briefroman "Persische Briefe" ist eine Sammlung von 161 Briefen rund um die fiktiven persischen Reisenden USBEK und RICA aus Isfahan während ihres Aufenthalts in Europa in den Jahren 1711 bis 1720.

 
In dem Briefwechsel geht es um den fremden, muslimisch-orientalischen Blick auf die christliche Gesellschaft Europas, es geht um Liebe, Freiheit, Eitelkeit, Religion, Inquisition, Ehe- und Haremsprobleme, Könige und Parlamente.

Die 1721 anonym in Amsterdam erschienene, unterhaltsame Korrespondenz traf einen Nerv der Zeit und wurde durch diverse Übersetzungen in ganz Europa einer der großen Bestseller der Aufklärung.

  • USBEK, Paris an RICA:

    "Daß die alten Könige von Persien so viele Untertanen hatten, verdankten sie nur jener Glaubenslehre der Religion der Magier, die Gott wohlgefälligsten Handlungen der Menschen seien: ein Kind zu zeugen, einen Acker zu bestellen und einen Baum zu pflanzen."

    Persische Briefe, 119. Brief, Paris, den 4ten des Mondes Rhamazan 1718  (Link)
  • USBEK AU MÊME:

    "Les anciens rois de Perse n’avoient tant de milliers de sujets qu’à cause de ce dogme de la religion des mages, que les actes les plus agréables à Dieu que les hommes pussent faire, c’étoit de faire un enfant, labourer un champ, et planter un arbre."

    "Lettres persanes", Lettre CXX, De Paris, le 4 de la lune de Rhamazan 1718 (Link)
  •  USBEK to the same:

    "The ancient kings of Persia had such an immense number of subjects, simply because of that dogma of the Magian religion which declares that the deeds of men most acceptable to God are to beget a child, to till a field, and to plant a tree."


    "The Persian Letters", Letter 120
    (Link);
    (Link)
Das Sprichwort wurde in England zum Beispiel von David Hume verbreitet, in Deutschland durch einen Brief Heinrich von Kleists, in dem er seiner Verlobten Wilhelmine von Zenge erklärt, er würde nach dieser Weisheit gerne leben und einen Bauernhof in der Schweiz kaufen. (Seine Verlobte war von diesem Plan nicht begeistert.)
  • "To plant a tree, to cultivate a field, to beget children; meritorious acts, according to the religion of Zoroaster." 
    David Hume: An Enquiry Concerning Human Understanding
    , 1748 (Link)

  • "Unter den persischen Magiern gab es ein religiöses Gesetz: ein Mensch könne nichts der Gottheit wohlgefälligeres tun, als dieses, ein Feld zu bebauen, einen Baum zu pflanzen, und ein Kind zu zeugen. Das nenne ich Weisheit, und keine Wahrheit hat noch so tief in meine Seele gegriffen, als diese."
    Heinrich von Kleist an
    Wilhelmine von Zenge, Paris, 10. Oktober 1801 (Link)

In Amerika wurde das Sprichwort aus Montesquieus 'Persischen Briefen' bald verändert: 1758 kam als vierter Punkt "ein Schiff beladen" dazu, 1793 sollte ein Mann neben Baum pflanzen, Haus bauen und Kind zeugen auch ein Buch schreiben. Der Autor erinnerte sich nicht mehr, wo er das Sprichwort gelesen hatte.

 1758
  • "That article in the •religion of the Magi, that the most pleasing actions to God which man could do, was to get a child, to manure a field, and to plant a tree; and we may add a fourth axiom, to load a ship." 
    New American Magazine in Newspaper Extracts (I) 
    4200, Four Things necessary to make a man T51 (Link)

1793 
  • "It is said by somebody (I forget who) that 4 things are necessary to make a man: 1. That he should plant a tree. 2. That he should write a book. 3. That he should get a child. 4. That he should build a house."  
    Belknap Papers 2.330, Four Things necessary to make a man T51 
    (Link)
-

1991
  • "The Talmud (a Jewish collection of teachings) says a person should do three things in the course of life: have a child, plant a tree, and write a book." (Link)

1997
  •  "The Chinese say that you have to have a child, plant a tree, and write a book, in order to have fulfilled your life."
2002
  • "It was José Martí who said that to be a man you have to have a child, plant a tree, and write a book. (Link)
 
Das Sprichwort ist inzwischen in einigen Varianten verbreitet und wird - immer ohne Quellenangaben - Chinesen, Picasso und einigen anderen unterschoben. 
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Bartlett Jere Whiting: "Early American Proverbs and Proverbial Phrases", The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge Ma/ London: 1977, T51, S. 434 (Link)
Lazarus Goldschmidt: "Der Babylonische Talmud". Nach der ersten zensurfreien Ausgabe von Daniel Bomberg aus dem Jahr 1523 unter Berücksichtigung der neueren Ausgaben und handschriftlichen Materialien neu übertragen. 12 Bände, Berlin: 1929-1936, Band VI, o. J., "Der Traktat Sota. Von der Ehebruchsverdächtigen",  Sota VIII Fol. 44a, S. 152f. (4016f.) (Link)
"Montesquieu's Persische Briefe". Deutsch von Adolf Strodtmann. Einleitung von Adolf Stern, Verlag von Albert Eichhoff, Berlin: 1866, S. 217  (Link)
David Hume: "Essays. Moral, Political, and Literary". Hrsg. von T.H. Green und T.H. Grose, Longmans, Green, and Co., London: 1875, S. 177 
Wikipedia

Luther zugeschrieben, zum Beispiel: ard.de/TV/Programm/Sender/?sendung=2848611895442472;  Picasso: (Link)


Artikel in Arbeit.
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Dank:
Die Hinweise von Wikipedia-AutorInnen waren wieder einmal sehr hilfreich.