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Montag, 12. November 2018

"Die Pharisäer aber gingen hinaus und fassten den Beschluss, Jesus umzubringen." Matthäus 12,14 (angeblich)

Dieser Satz aus der deutschen Einheitsübersetzung (2016) des Matthäus-Evangeliums ist umstritten, weil im griechischen Original dieser Stelle nichts von einem Mordplan der Pharisäer steht.

Der von Karl Kraus geschätzte Leander van Eß zum Beispiel übersetzte diesen Satz in seiner Edition des Neuen Testaments 1884 mit folgenden Worten:
  • "Nun begaben sich die Pharisäer weg und hielten miteinander Rath, wie sie ihn aus dem Wege schaffen könnten."
    Leander van Eß, Matthäus 12:14, Wien: 1884, S. 13
 Der Kirchenhistoriker Hans Förster schlägt vor, statt "umbringen" in der Übersetzung das Verb "loswerden" zu wählen:

  • "Als aber die Pharisäer hinausgegangen waren, berieten sie über ihn, wie sie ihn loswürden."
    Hans Förster: "Mörder oder Störenfried?", 2018 (Link)
     
"Einen Störenfried - auf welche Art auch immer - loszuwerden, ist etwas ganz anderes," schreibt Hans Förster, " als der bewusste Vorsatz, diesen töten zu wollen. (Link)"

Die Darstellung von Juden als "Christusmörder" steht in der antisemitischen Tradition des Christentums:


Hans Förster:


  • "Kittel und andere Theologen aus der Zeit des Nationalsozialismus haben mit Standardwerken wie dem "Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament" mit dazu beigetragen, dass es zwei aktuellen Revisionen, also Überarbeitungen von zentralen Bibelübersetzungen, unzureichend gelungen ist, traditionelle Antijudaismen zu überwinden. Vielmehr verschärfen die revidierte Lutherbibel (2017) und die revidierte Einheitsübersetzung (2016) das Motiv einer Dämonisierung der Juden im Neuen Testament, verglichen mit Übersetzungen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.

    Deshalb sei in Erinnerung gerufen: Die Darstellung der Juden als Teufel und Dämonen war eines der am häufigsten verwendeten Motive der nationalsozialistischen Propaganda. Damit zeigt sich: Der wissenschaftlichen Aufarbeitung philologisch problematischer antijüdischer Verzerrungen des Neuen Testaments hat sich die Theologie überhaupt erst anzunehmen. Dabei handelt es sich nicht nur um eine faszinierende und schwierige wissenschaftliche Herausforderung - es ist vielmehr eine moralische Pflicht."

    Hans Förster: "Mörder oder Störenfried?", Wiener Zeitung, 2018 (Link)


Matthäus 12,14


  • Ἐξελθόντες δὲ οἱ Φαρισαῖοι συμβούλιον ἔλαβον κατ’ αὐτοῦ ὅπως αὐτὸν ἀπολέσωσιν. (Link)
  • Exeuntes autem pharisaei, consilium faciebant adversus eum, quomodo perderent eum. 
  • Then the Pharisees went out, and held a council against him, how they might destroy him. King James Version (Link)
  • Aber die Pharisäer gingen hinaus und hielten Rat gegen ihn, damit sie ihn vernichten könnten. jw.org 
  • Nun begaben sich die Pharisäer weg und hielten miteinander Rath, wie sie ihn aus dem Wege schaffen könnten.
  • Die Pharisäer aber gingen hinaus und fassten den Beschluss, Jesus umzubringen.
  •  Als aber die Pharisäer hinausgegangen waren, berieten sie über ihn, wie sie ihn loswürden.


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Quellen:
"Die heiligen Schriften des Neuen Testamentes", übersetzt und mit zugefügten Sach-Parallelstellen und grundtextlichen Abweichungen neu revidiert von Leander van Eß, Verlag der britischen und ausländischen Bibelgesellschaft, Wien: 1884, S. 13
Hans Förster: "Mörder oder Störenfried?", Wiener Zeitung extra, 10./11. November 2018, S. 25f. (Link)
bibelwissenschaft.de/online-bibeln

Artikel in Arbeit.