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Montag, 30. März 2020

"Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert; und Wochen, in denen Jahrzehnte passieren." Lenin (angeblich)

Dieses Zitat wird Wladimir Iljitsch Lenin auf Englisch seit dem Jahr 2005 und auf Deutsch seit dem Jahr 2007 zugeschrieben.

Pseudo-Lenin-Zitat.

Weder die Rechercheurinnen und Rechercheure von Wikiquote noch ich haben diesen Satz so oder so ähnlich in den online durchsuchbaren Werken Lenins gefunden.

Die erste Person, die das Zitat Lenin unterschoben hat, war anscheinend der umstrittene britische Ex-Labourabgeordnete  George Galloway in einem Interview mit der Zeitschrift "International Socialist Review" (wikiquote).

Zwei Jahre später taucht das Zitat auf Deutsch in der politisch verwandten marxistischen  Zeitschrift "Das Argument" auf.

Da das Zitat erstens in einem Interview, zweitens erst über 80 Jahre nach Lenins Tod entstanden ist und drittens immer ohne Quellenangabe zitiert wird, ist es mit ziemlicher Sicherheit ein Kuckuckszitat, das nie in einem Text Lenins gefunden werden wird.


Varianten des Kuckuckzitats:


  • "There are decades when weeks happen, and weeks when decades happen." 
  • "There are decades where nothing happens; and there are weeks where decades happen."
  • "Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und Wochen, in denen Jahrzehnte passieren."
  • "Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts geschieht, und Wochen, in denen Jahrzehnte geschehen."
  

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Quellen:
Google.
2005:
"Exposing the Big Lie." Interview with George Galloway by Eric Ruder. International Socialist Review, Sep/Oct 2005: (Link)
2007:
Das Argument: Berliner Hefte für Probleme der Gesellschaft, Ausgaben 271-272, Argument Verlag:  2007, S. 329 books.google
Wladimir Lenin: Digitalisierte Schriften, Marxists’ Internet Archive marxists.org
wikiquote

books.google
azquotes.com/quote/432875 
manager-magazin.de 3. November 2017
Wiener Zeitung, Gordon Brown, 30. Juni 2016

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Dank:

Ich danke Herbert Gnauer für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.


Artikel in Arbeit.

Donnerstag, 11. Januar 2018

"Wer Berlin hat, hat Deutschland, und wer Deutschland hat, hat Europa." Lenin (angeblich)

(Artikel in Arbeit.)
Dieses Zitat wird meines Wissens das erste Mal in dieser Form von dem deutschen Verleger Axel Springer 1980 Lenin zugeschrieben; 1952 wurde es noch in der Version: "Wer China hat, hat Asien - Wer Deutschland hat, hat Europa", Lenin unterschoben. 

Konrad Adenauer meinte 1961 bei einer großen Veranstaltung in Köln: "Lenin und Stalin haben beide gesagt, wer Deutschland hat, hat Europa, und wer Europa hat, der hat die Welt'." Als Quelle für das Zitat führt Konrad Adenauer später in seiner Autobiographie eine Rede Lenins vom 22. Oktober 1918 an.

Entstanden ist die Parole, "Wer Deutschland hat, hat Europa",  also anscheinend als Paraphrase auf einen etwas anders lautenden Satz Lenins aus einer Rede vom 22. Oktober 1918.

Die Zusätze mit "Berlin" oder "China" sowie die Zuschreibung an Stalin scheinen frei erfunden zu sein.

1918, Lenin:
  •  "Zugleich ist unsere Hauptaufgabe die Propaganda im Interesse des ukrainischen Aufstands. Das ist so vom Standpunkt der internationalen Revolution, der Weltrevolution, denn das wichtigste Glied in dieser Kette ist Deutschland, denn die deutsche Revolution ist schon herangereift, und vor allem von ihr hängt der Erfolg der Weltrevolution ab."
    Lenin, 22. Oktober 1918 (Link)
  •  

Entwicklung des Zitats:


1949
  • "Wer Deutschland hat, hat Europa."

1952
  • "Diese Linie, die Sowjetrußland konsequent befolgte, solange Deutschland mitmachte, beruht auf Lenins politischer Grundauffassung: Wer China hat, hat Asien - Wer Deutschland hat, hat Europa." (Link)
1955
  • "In den sächsischen und thüringischen Facharbeitern sieht der Bolschewismus im Sinne Lenins, der das bekannte Wort gesprochen hat: „Wer Deutschland hat, hat Europa!“, aber auch die wichtigsten Träger der Revolution in Europa und darüber hinaus in der Welt."
1956
  • "Lenins geflügeltes Wort »Wer Deutschland hat, hat Europa« ist ein Leitstern der Sowjetpolitik von ihren Anfangen an."
1961, Konrad Adenauer:
  • "'Die SU', so Adenauer vor großem Publikum, 'hat den Drang nach dem Westen [...], und Lenin und Stalin haben beide gesagt, wer Deutschland hat, hat Europa, und wer Europa hat, der hat die Welt'."  (Link)
1965, Konrad Adenauer:
  • "Sie handelten genau nach der Parole Lenins: 'Wer Deutschland hat, hat Europa!' In einer Rede am 22. Oktober 1918 hatte Lenin ausgeführt: 'Das wichtigste Glied in dieser Kette (Weltrevolution) ist Deutschland . . . und von ihr (der deutschen Revolution) hängt der Erfolg der Weltrevolution ab.'"
    Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953
    (Link)
1970
  • "'Wer Deutschland hat' - so erklärte Lenin - 'der hat Europa, und wer Europa hat, hat die Welt'". (Link)
1972

  • "Walter Ulbricht denkt: Wer Berlin hat, hat Deutschland ... Und Stalin lenkt: Wer Deutschland hat, hat Europa."   (Link)
 
1980, Axel Springer:
  • "Denn auch ihr großer Führer Lenin hat gesagt: »Wer Berlin hat, hat Deutschland, und wer Deutschland hat, hat Europa.« Und wer glaubt, der tote Lenin sei heute bei den Sowjets nicht mehr aktuell, ..."
    Axel Springer
1981?
  • "»Wer Deutschland hat, hat Europa«, sagte Lenin, »und wer Europa hat, hat die Welt«. »Der Weg nach Konstantinopel führt durch das Brandenburger Tor«, hieß es in Petersburg schon um 1890, und Lenin ergänzte: »Wenn die Revolution gesiegt hat, wird sie ihr Hauptquartier von Moskau nach Berlin verlegen.« Das war eine unzweideutige Aussage, ein klares Programm."
    Lohausen (Link) 
    (Link)
 1987
  • "Robejsek zitierte Chruschtschow als Kronzeugen für die expansionistische Machtpolitik der Sowjetunion: »Wer Berlin hat, hat Deutschland, und wer Deutschland hat, hat die Anwartschaft auf Europa.«"  (Link)
 2012, Egon Bahr:
  • "BAHR: Ich weiß nicht, ob ich damals den Ausspruch von Lenin schon kannte: »Wer Berlin hat, der hat Deutschland, und wer Deutschland hat, der hat Europa.«" (Link)
2014
  • "Lenin: Wer Berlin hat, hat Deutschland; wer Deutschland hat, hat Europa."
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Quellen:
Google
Konrad Adenauer: Erinnerungen 1945-1953, (EA 1965), Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart: 1985, S. 95 (pdf)
Heinrich Jordis Lohausen: "Wie sicher ist Europa?" in: Pierre Krebs (Hrsg.): Mut zur Identität. Alternativen zum Prinzip der Gleichheit. 1988 (unsichere Datierung; keine durchlaufende Paginierung; fehlerhafte Digitalisierung)  (Link)
Lenin: Die Vereinigten Staaten von Europa, "Sozial-Demokrat" Nr. 44, 23. August 1915 (Link)
Lenin:  Bericht in der gemeinsamen Sitzung des Gesamtrussischen  Zentralexekutivkomitees, des Mokauer Sowjets, der  Betriebskomitees und der Gewerkschaften, 22. Oktober 1918  (Link)
(Link)
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Dank:
 Ich danke Christian Seidl sehr für seine Recherchen zu Adenauer und der Lenin-Rede von 1918 und Karl-Heinz Hitl für den Hinweis auf das Zitat.

Freitag, 8. Dezember 2017

"Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen." Lenin (angeblich)

Pseudo-Lenin quote.
Dieses Zitat entwickelte sich aus einer Lenin-Anekdote, die 1958, also mehr als dreißig Jahre nach seinem Tod, das erste Mal in den digitalisierten Texten auftaucht: "Genossen", soll Lenin gesagt haben, "sorgt euch nicht um die Kapitalisten. Wir müssen ihnen nur genug Stricke liefern und sie werden sich selber aufhängen" (Link).

Ein Jahr später hängen sich die Kapitalisten in der revidierten Lenin-Anekdote nicht mehr selber auf, sondern werden aufgehängt. Zwei Jahre später wird der Spruch Stalin unterschoben (Link). Dann bekommt der Spruch langsam die kurze aphoristische Form, die wir heute kennen, und 1982 wird die älteste Lenin-Anekdote Alexander Solschenyzin zugeschrieben, der sie 1975 in Amerika erzählt haben soll (Link).

In den gesammelten Schriften Lenins wurde das Zitat weder so noch so ähnlich je gefunden. Der Journalist William Safire erzählte 1987 in einem amüsanten Artikel von seiner vergeblichen Suche nach dem Ursprung des Zitats bei Kommunisten, Professoren und Bibliothekaren in Moskau und New York (Link).

Die Evolution dieses Zitats legt den Schluß nahe, dass es ein Kuckuckszitat ist. Vor 1950 ist es weder auf Deutsch, noch auf Englisch oder Russisch in einem digitalisierten Text als "Lenin"-Zitat zu finden. 

Tobias Blanken hat mich darauf hingewiesen, dass dieses Lenin-Zitat wahrscheinlich ein späte Erfindung ist, der Literaturwissenschaftler und Übersetzer Joseph Wälzholz hat auf Russisch den Urspung des Zitats recherchiert und ich bin ihm auf Deutsch und Englisch nachgegangen: Auch wir sind, wie die Autoren des Buches "They Never Said It: A Book of Fake Quotes, Misquotes, and Misleading Attributions" und die Rechercheurinnen von Wikiquote zu dem Schluß gekommen, dass dieses Lenin-Zitat eine Erfindung aus der Zeit des Kalten Kriegs ist. 

Ralf Bülow verdanken wir den Hinweis, dass ein ähnliches Sprichwort auf Englisch schon im 19. Jahrhundert verbreitet war.

 Evolution des Sprichworts

 1671

  1788
1817
1834
1882

1890
1893
  • "Let these newspaper fellows have all the rope they want; they will hang themselves without assistance."

 Evolution des Kuckuckszitats


Das Pseudo-Lenin-Zitat taucht das erste Mal 1958 auf Englisch auf, ein Jahr später auf Deutsch, wobei der Strick aus dem Sprichwort nicht mehr als Metapher für Freiheit, sondern nur noch wörtlich genommen wird.
  

1958
  • "Some 35 years ago, in the course of a report on Russia's economic future, Lenin is reported to have said: 'Comrades, we have nothing to worry about the capitalists. All we have to do is give them enough rope and they will hang themselves.' Thereupon, one of his comrades asked Lenin: 'But where will we get the rope to give to the capitalists ?' Lenin quickly replied: 'from the capitalists, of course'."
    AFL-CIO, Dept. of International Affairs, AFL-CIO Free Trade Union News,  Bände 13-15, 1958,  S. 36
    (Link)
 
1959
  • "Über letztere hat Lenin einmal gesagt: 'Die Kapitalisten treten sich gegenseitig auf die Füße, um die Stricke zu verkaufen, an denen sie später einmal aufgehängt werden'.
    "
    Richard Etschmann: "Die Währungs- und Devisenpolitik des Ostblocks und ihre Auswirkungen ...", 1959, S. 209 (Link)
1960
  • "Lenin sagte: «Wenn die kapitalistische Welt anfängt, mit uns Handel zu treiben - von dem Tag ab beginnt sie, ihre eigene Vernichtung zu finanzieren.» Noch anschaulicher formulierte Stalin: «Wenn es dann so weit ist, daß wir die Kapitalisten dieser Welt aufhängen, werden sie sich gegenseitig auf die Zehen treten, um uns die Stricke zu verkaufen.»" 
    Reformatio, Band 9, 1960, S. 269 (Link)
1974
  • "Among the statements of the late Vladimir Lenin, founder of the modern Soviet state, are his words: "The capitalists are so greedy they will sell the rope for their own hanging." In the light of communist exploitation of American gullibility that is a statement of deep meaning and dire consequences."
    Life Line Freedom Talk, 1974  (Google) 
 1976
  • "daß — nach einem Wort Lenins — die Kapitalisten so habgierig und dumm sein können, daß sie ihrem Henker auch noch die Stricke verkaufen, an denen er sie früher oder später aufhängen wird."
    Criticón, Bände 33-38, 1976,  S. 14

 1981
  • "In einem der am häufigsten zitierten Lenin-Worte wird prophezeit, daß die kapitalistischen Länder eines Tages der Sowjetunion noch den Strick verkaufen würden, mit dem diese sie aufknüpft."
    Europäische Wehrkunde, Band 13, 1981 (Link)
1982
  • "When things go very hard for us, we will give a rope to the bourgeoisie and the bourgeoisie will hang itself." When Radek asked, "Where are we going to get enough rope to hang the whole bourgeoisie?" Lenin replied, "They'll supply us with it."
    Cord Meyer: Facing Reality: From World Federalism to the CIA, 1982 (
    Alexander Solschenizyn soll das am 30. Juni 1975 zur Gewerkschaft AFL-CIO gesagt haben) S.  303  (Link)  
 1983
  • "SPIEGEL: Sie kennen sicher das Lenin-Zitat: 'Die Kapitalisten werden uns auch noch den Strick verkaufen, an dem wir sie aufhängen ...'
    KENDALL: ... der Spruch wird oft zitiert. Ich habe mich schon öfters bemüht, die Quelle dieses Zitats zu finden. Niemand konnte mir bisher die Quelle nennen."
    DER SPIEGEL 6/1983, 7. Februar 1983 (Link)
 1987
  • "Former Colgate Prof. Albert Parry writes in The St. Petersburg Times: 'You will not find the rope prophecy in any of the voluminous Lenin works published in the Soviet Union.' Right."
    William Safire: "Useful Idiots Of the West", NYT, 12. April 1987 (Link) 
2008
  • "Ich kann diese Filme machen, weil ich das Glück habe, eine der wunderschönsten Schwächen des Kapitalismus auszunutzen: Ein Kapitalist wird Dir noch den Strick verkaufen, an dem Du ihn dann aufhängst, wenn der damit was verdient."
    Michael Moore, 14. September 2008, Telepolis (Link)
  2013
  • "Lenin said, 'The capitalists will sell us the rope with which to hang them'."
    Google
  • "Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen."
  • "Ein Kapitalist wird Dir noch den Strick verkaufen, an dem Du ihn dann aufhängst." 
  • "Die Kapitalisten treten sich gegenseitig auf die Füße, um die Stricke zu verkaufen, an denen sie später einmal aufgehängt werden."
  • "The capitalists will sell us the rope with which to hang them."
  • "We will hang the capitalists with the rope that they sell us."


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Quellen:
Marxist Internet Archive: (Link)
Google books, Deutsch
Google books, English
William Safire: "Useful Idiots Of the West", New York Times, 12. April 1987 (Link)
Paul F. Boller jr., John George: "They Never Said It: A Book of Fake Quotes, Misquotes, and Misleading Attributions", Oxford University Press, Oxford / New York: 1989, ebook (Link)
AFL-CIO, Dept. of International Affairs, AFL-CIO Free Trade Union News,  Bände 13-15, 1958,  S. 36 (Link)
Richard Etschmann: "Die Währungs- und Devisenpolitik des Ostblocks und ihre Auswirkungen ...", 1959, S. 209 (Link)
Reformatio, Band 9, 1960, S. 269 (Link)
Criticón, Bände 33-38, 1976,  S. 14
Europäische Wehrkunde, Band 13, 1981 (Link)
Cord Meyer: Facing Reality: From World Federalism to the CIA, 1982 (Alexander Solschenizyn soll das am 30. Juni 1975 zur Gewerkschaft AFL-CIO gesagt haben) S.  303  (Link) 
DER SPIEGEL 6/1983, 7. Februar 1983 (Link)   
Michael Moore, 14. September 2008, Telepolis (Link)
Wikiquote
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Dank:
Ich danke Tobias Blanken, Joseph Wälzholz und Ralf Bülow sehr für ihre Recherchen.

Letzte Änderung: 4. Juni 2018 

Dienstag, 2. Mai 2017

"Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht." Bertolt Brecht (angeblich)


Pseudo-Bertolt-Brecht-Zitat.
Dieser Slogan ist um 1974 von Atomkraftgegnern geprägt worden. Er fand in den Versionen: "Wo RECHT zu Unrecht, wird Widerstand zur Pflicht" sowie: "Wo UNRECHT zu Recht, wird Widerstand zur Pflicht", bald große Verbreitung.

Erst im 21. Jahrhundert wird der Slogan diversen berühmten Autoren, die alle mit diesem Zitat nichts zu tun hatten, unterschoben.

Varianten des Kuckuckszitats:

  • "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht."  Bertolt Brecht 
  • "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht."  Bertolt Brecht
  • "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht." Johann Wolfgang von Goethe
  • "Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht."  Wladimir Iljitsch Lenin
  • "Wenn Recht Unrecht wird, wird Widerstand Pflicht."  Günther Nenning
  • "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht, Gehorsam aber Verbrechen!"  Papst Leo XIII., 1891

Pseudo-Goethe-Zitat
Die ursprüngliche Autorin des Spruchs ist noch unbekannt; es könnte die damalige Führungsfigur der Grünen, Petra Kelly, gewesen sein.

Sie bezieht sich in einer Bundestagssrede einmal auf ein katholische  Widerstandspflicht, die Papst Leo XIII. in der Enzyklika "Sapientiae christianae", gefordert hat.


Petra Kelly (GRÜNE), 1983

  • "Wir berufen uns auch auf die Worte Papst Leo XIII. - ich zitiere -: 'Wenn aber die Staatsgesetze sich offen gegen das göttliche Recht auflehnen ... dann ist Widerstand Pflicht, Gehorsam aber Verbrechen.' ...."

    Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht,10. Wahlperiode, 13. Sitzung, 15. Juni 1983, S. 768 (archive.org)


Deutscher Bundestag, 15. Juni 1983, S.768 (archive.org)

Papst Leo XIII.: "Enzyklika Sapientiae christianae", 10. Januar 1890:


  • "10 Wenn aber die Gesetze des Staates mit dem göttlichen Recht in offenbarem Widerspruch stehen, wenn sie der Kirche Unrecht zufügen oder den religiösen Verpflichtungen widerstreiten oder die Autorität Jesu Christi in seinem Hohenpriester verletzen, dann ist Widerstand Pflicht und Gehorsam Frevel, und das selbst im Interesse des Staates, zu dessen Nachteil alles ausschlägt, was der Religion Abbruch tut. -

    Hieraus ergibt sich aber auch, mit welchem Unrecht diese Anschauung der Auflehnung beschuldigt wird, da man doch keiner staatlichen Obrigkeit und keinem Gesetzgeber den schuldigen Gehorsam verweigert, sondern nur jene Vorschriften unbeachtet lässt, zu deren Erlass es keine Gewalt gibt; denn da sie unter Verletzung des göttlichen Rechts erteilt wurden, sind sie ungerecht und eher alles andere als Gesetze."

    Papst Leo XIII.: "Enzyklika Sapientiae christianae", 10. Januar 1890 (Link)

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Schmariator
: Richtig heißt es "Wo Unbrecht zu Brecht wird, wird Zitatforschung zur Pflicht" (
) (Twitter)

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(Dieser Artikel ist noch in Bearbeitung.)
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Quellen:
Papst Leo XIII.: "Enzyklika Sapientiae christianae", 10. Januar 1890 (Link); bibliographische Angaben dazu: kathpedia.com
Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht,10. Wahlperiode, 13. Sitzung, 15. Juni 1983, S. 768 (archive.org) 
Worte gegen den Wind ... "Die Seite mit kritischer Lyrik und Satire"
Petra Kelly
Constantin von Dietze: "Volkswirtschaftspolitik", 1936 
Franz Klüber: "Katholische Gesellschaftslehre", 1968 
Der Sprachdienst, 1985: Vermutung, der Slogan sei 1974 bei Demonstrationen Gegen das AKW Whyl entstanden 
Wikiquote: "Dieser Satz wird seit Jahrzehnten Bertolt Brecht zugeschrieben - ist vielleicht sogar sein bekanntestes "Zitat"" - (Seit Jahrzehnten? Wirklich?)


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Ich danke Markus Pirchner für den Hinweis auf diese Pseudo-Brecht-Zitate und Ralf Bülow für seine Recherchen.

Letzte Änderung: 22/6 2020