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Donnerstag, 30. August 2018

"Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!" Theodor Körner (angeblich)

Broschüre, hrsg. von Joseph Goebbels, 1943, © Deutsches Historisches Museum, Berlin.

Der Wortlaut dieses Appells stammt von Joseph Goebbels, dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, und war der Titel und der Schlußsatz seiner sogenannten Sportpalastrede, mit der er - kurz nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Stalingrad - in dem mit Nazi-Parolen und Nazi-Symbolen geschmückten Berliner Sportpalast den baldigen deutschen Sieg verkündete und phrasenreich für den "totalen Krieg" warb.
  • "Die Nation ist zu allem bereit. Der Führer hat befohlen, wir werden ihm folgen. Wenn wir je treu und unverbrüchlich an den Sieg geglaubt haben, dann in dieser Stunde der nationalen Besinnung und der inneren Aufrichtung. Wir sehen ihn greifbar nahe vor uns liegen; wir müssen nur zufassen. Wir müssen nur die Entschlusskraft aufbringen, alles seinem Dienst unterzuordnen. Das ist das Gebot der Stunde. Und darum lautet von jetzt ab die Parole: Nun, Volk, steh auf und Sturm brich los!"

    J. Goebbels, Berlin, Sportpalast, 18. Februar 1943 (Link)

Goebbels' Imperativ geht auf die erste Zeile des 1813 entstandenen patriotischen Gedichts "Männer und Buben" Theodor Körners zurück, die im Indikativ steht: "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los".

Am Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wurde diese Zeile oft in der Nazi-Propaganda verwendet, auch zum Beispiel in dem teuersten und aufwendigsten Nazi-Propagandafilm "Kolberg", der erst 1945 in die deutschen Kinos kam.

Die Goebbels-Parole, "Nun, Volk, steh auf und Sturm, brich los!", mit der Goebbels versuchte die deutsche Bevölkerung zu überreden, die in Stalingrad geschlagene Wehrmacht noch mehr zu unterstützen, wird heute gerne von rechtsextremen und AfD/FPÖ-nahen AktivistInnen auf Facebook und Twitter verbreitet und manchmal fälschlich Theodor Körner zugeschrieben.



 Theodor Körner, 1813, "Männer und Buben", 1. Strophe


"Das Volk steht auf, der Sturm bricht los;
Wer legt noch die Hände feig in den Schoß?
Pfui über dich Buben hinter dem Ofen,
Unter den Schranzen und unter den Zofen!

Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht;
Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,
Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,
Und deutscher Wein erquickt dich nicht.
   Stoßt mit an,
   Mann für Mann,
   Wer den Flamberg schwingen kann!"
(gutenberg.spiegel.de)

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Quellen:
Deutsches Historisches Museum, Berlin: "Nun, Volk, steh auf und Sturm brich los"  dhm.de
"Kolberg", Film von Veit Harlan im Auftrag von J. Goebbels, 1945, Ausschnitt  youtube.com/
Spiegelredaktion: "Nun Volk",  SPIEGEL 46/1967, 16. November 1967 (spiegel.de)
Peter Longerich:  "Goebbels' Sportpalastrede - Stiller Staatsstreich", 2011  (Link)
Joseph Goebbels: "Der steile Aufstieg. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1942/43" Hrsg. von M.A. v. Schirmeister, Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München: 1944, 167-204 (Mit fehlenden Kommata im Zitat.) (Link)
Theodor Körner: "Männer und Buben", 1813 
Wikipedia
Facebook; Twitter 
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Dank an die Wikipedia-MitarbeiterInnen für ihren ausführlichen Artikel zur Sportpalastrede.

Samstag, 3. Februar 2018

"Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott ..." Theodor Körner (angeblich)

Deutsche Neonazis haben dieses Drohgedicht vor kaum 20 Jahren dem deutschen Dichter Theodor Körner unterschoben, der im Sommer 1813 im Kampf gegen napoleonische Truppen im 21. Lebensjahr gefallen ist.


Theodor Körner

  • Aufruf / 1813

    F
    risch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,
    Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.
    Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauchen,
    Frisch auf, mein Volk! — Die Flammenzeichen rauchen,
    Die Saat ist reif, ihr Schnitter, zaudert nicht!
    Das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerdte!
    ...

    Theodor Körner: "Leyer und Schwerdt." Berlin, 1814, S. 37 (Link)
     
Kriegsverherrlichende Verse ("das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerte!")  machten den Dichter Teodor Körner bei deutschen Miltitaristen und Nationalsozialisten beliebt. Allerdings enthält das Werk Theodor Körners keine Verse gegen die eigene Regierung, gegen die eigenen Fürsten.

Das Falschzitat "Noch sitzt ihr da oben ..." wurde laut Recherchen des Literaturwissenschaftlers  Erhard Jöst am 21. (!) April 1990 bei einer Neonazi-Großveranstaltung im Münchner Löwenbräukeller erstmals vorgetragen:

  • "Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
    vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
    Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
    dann richtet das Volk und es gnade euch Gott."

    Unbekannte Autorin, um 1990, später fälschlich Theodor Körner zugeschrieben.

Diese Verse sind ein in Reimen versteckter Mordwunsch voller Anspielungen auf nationalsozialistisches Vokabular.

Die Wendung, "vom Feinde bezahlt", gehört zur typischen Verschwörerweltsicht von Rechtsextremen, wobei als Feind entweder "die Amerikaner", "die Linken", "die Juden" oder heutzutage George Soros imaginiert wird, der in der Phantasie dieser Leute die CDU/SPD-Regierungen durch Bestechung gefügig macht.

Bei der Floskel, einst werde "wieder Gerechtigkeit walten", kann sich das Wort "wieder" in diesem Zusammenhang nur auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 in Hitler-Deutschland beziehen.

Und wenn "das Volk" richten soll, träumt man wohl von einem Volksgerichtshof, wahrscheinlich wie einst mit "volkshygienischen Aufgaben", in dem "das Volk" die Bundesregierung Angela Merkels (offenbar zum Tod) verurteilen wird.

Das Gedicht endet mit der Redensart, dann "gnade Euch Gott". Mit eben diesen Worten hat Adolf Hitler 1922 in München der damaligen Regierung und den Juden, wenn er einmal an der Macht sei, gedroht; und für die sozialdemokratische Führung gäbe es dann nur noch eine Strafe: "den Strick".

In den Schriften Theodor Körners ist keine einzige Zeile dieses Neonazi-Drohgedichts, das eine strafrechtliche Verurteilung der deutschen Bundesregierung durch einen Volksgerichtshof herbeiwünscht, enthalten.

 
Pseudo-Theodor-Körner-Zitat.


Verbreitet wird dieses auf  Facebook und Twitter im rechtsextrem Milieu beliebte Neonazi-Zitat unter dem Namen Theodor Körners seit etwa 2008 zum Beispiel von H. C. Strache, FPÖ (Link), Jürgen Pohl, AfD (Link), von rechten Webseiten wie unzensuriert.at (Link), sowie auf PEGIDA-Demonstrationen.

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Facebook, 18. Januar 2012:



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Twitter, 21. Januar 2018:
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Pseudo-Theodor-Körner-Zitat.
Neonazi-Zitat. Theodor Körner unterschoben.

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Quellen:
Google:  "Ungefähr 4 850 Ergebnisse"
Theodor Körner: "Leyer und Schwerdt." Berlin: 1814, S. 37. In: Deutsches Textarchiv , abgerufen am 26. September 2018 (Link)
Erhard Jöst: "Opfertod fürs Vaterland. Der literarische Agitator Theodor Körner", in: Clauda Glunz, Thomas F. Schneider (Hrsg.): "Dichtung und Wahrheit: Literarische Kriegsverarbeitung vom 17. bis zum 20. Jahrhundert", Erich Maria Remarque-Friedenszentrum, Osnabrück: 2015, S. 29f. (Link) (via Wikipedia)
Wikipedia:  "Am 23. September 2016 publizierte die AfD-nahe Gruppierung Björn HöckesDer Flügel“ Körners Satz „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“ mit dem obigen Spruch."
Andreas Kemper: "Wieder reinste Nazi-Propaganda vom 'Flügel'", Facebook, 26. September 2016 (Link)
Einige von Körners Versen wurden auch von Nazigegnerinnen wie Marlene Dietrich und Widerstandskämpfern der "Weißen Rose" gerne zitiert.
pronoever.com/fpoe-unzensuriert-wirbt-fuer-bewegung-theodor-koerner-1813-mitglieder-an
Theodor Körner: "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los –", Zeno.org   (Link)
stopptdierechten.at/2018/09/13/die-feigen-gestalten-da-oben/ 
 
Beispiele für falsche Zuschreibungen:
Twitter
Usenet (seit 2008)
Rainer Kahni (Monsieur Rainer): "Die Totengräber der Demokratie: Ein Wut-Buch",  Books on Demand, Norderstedt: 2011, S. 476 (Link)
Rainer Kahni (Monsieur Rainer): "Wehrt Euch! Eine Streitschrift gegen Willkür und Unrecht ..." Edition BOD, herausgegeben von Vito von Eichborn, Books on Demand, Norderstedt: 2013, S. 43 (Link)
Jürgen Pohl, AfD, 20. September 2017, Spiegel Online Fotostrecke (Link)
H. C. Strache,  Facebook, 18. Januar 2012
Anonym: "Der Widerstand formiert sich: 'Bewegung Theodor Körner, 1813'", unzensuriert.at, 12. September 2015, (Link) Nachtrag August 2018: Diese Seite ist inzwischen gelöscht.
2005:  viermalvier.de (inzwischen gelöscht) 
2007:  forum.wildundhund.de (inzwischen gelöscht)
2010:  querdenkerforum.de
2012:  thule-gesellschaft.org  
2015:  hart-brasilientexte.de
2016:  lupocattivoblog.com
2017:  sezession.de

Eine Fassung von Theodor Körners verändertem Gedicht "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los": Youtube, 13. Dezember 2015  (Link);  das Original-Gedicht Theodor Körners: (Link)
"Wahrheit macht frei - Dokumentation 1991", (Neonazi-Löwenbräukeller-Veranstaltung: 24:10) Youtube (Link)
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Ich danke Erhard Jöst und den MitarbeiterInnen von Wikipedia sehr für ihre Recherchen, sowie Letnapark für seinen Hinweis.

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Artikel in Arbeit.
Letzte Änderung: 26/9 2018 


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Ursprünglich enthielt der Artikel noch folgende Zeilen, die inzwischen obsolet sind, da sich die  "Bewegung Theodor Körner, 1813" - wohl weil sie keine Mitglieder fand - weitgehend selbst gelöscht hat:

Die "Bewegung Theodor Körner, 1813" zum Beispiel sagt "den linken Volksverhetzern den Kampf an",  liest man auf unzensuriert.at, einer FPÖ-nahen Seite, und diese Körner-Bewegung mit der Devise, "Sachlichkeit hat bei uns oberste Priorität", zitiert in ihrem Werbetext  dieses um 1990 erfundene Theodor-Körner-Gedicht.
Unzensuriert.at, 2015; inzwischen gelöschte Seite.