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Samstag, 28. Oktober 2017

"Bella gerant alii: tu, felix Austria, nube!" König Matthias Corvinus (angeblich)

 
Pseudo-Matthias-Corvinus-Zitat.

Den Urheber dieses in Österreich immer noch berühmten Hexameters, der im 16. Jahrhundert entstanden sein könnte, aber erst seit 1654 belegt ist, kennt man nicht. Der Spruch wurde viel später dem ungarischen König Matthias Corvinus unterschoben, obwohl dieser König der Ungarn, Kroaten und Böhmen schon im Jahr 1490 starb, also noch bevor mit habsburgischen Heiraten ein Weltreich erschaffen wurde. Schon im 19. Jahrhundert lehnten Zitatesammler wie Büchmann die Zuschreibung an Corvinus ab.

Auch Zuschreibungen an Johannes Cuspinianus / Spießheimer und Ulrich von Hutten haben sich als unhaltbar erwiesen. Ich folge da der Einschätzung der Historikerin Elisabeth Klecker, in deren aufschlußreicher Studie zu diesem Spruch auch fast alle hier erwähnten Daten belegt sind. Die Zuschreibung des Zitats an Kaiser Maximilian I. in Online-Zitatsammlungen kann man ebenso wenig ernst nehmen (Link) wie die Behauptung, der Hexameter sei Maximilians Wahlspruch gewesen (Link), weil es dafür keinerlei seriöse Quellen gibt.

Von 1680 bis zu Kaiser Franz Joseph wurde bei Habsburg-Hochzeiten das Hochzeitspaar mit diesem Hexameter und Variationen dazu von Hofdichtern auf Lateinisch gefeiert. Den Propagandisten der Familie Habsburg gelang es mit einer Serie von Huldigungsgedichten die k.u.k. Familie - im Unterschied zu anderen europäischen Fürstenfamilien - als Friedensmacht zu definieren:
  • "Krieg führe, wer da will. Es mögen Potentaten
    Mit Degen in der Faust ausüben grosse Thaten:

    Das holde Oesterreich erwählet Liebes=Band. "

    Zur Hochzeit von Joseph II., 1760, OLG, 1997, S. 33
Zur Ideologie der Habsburger, die den Spruch "Bella gerant alii ..." auch in Schulbüchern und bei anderen Festlichkeiten verbreiten ließen, gehörte es, ihre  erfolgreiche Heiratspolitik nicht der Gerissenheit oder dem diplomatischen Geschick ihrer Familienmitglieder zuzuschreiben, sondern der Gnade Gottes und der Pietas Austriaca, also ihrer Frömmigkeit. Dass schon Kaiser Maximilian I. seine erheirateten Länder durch Kriege in Besitz nahm, wurde verdrängt. 

Das vollständige Hochzeits-Distichon taucht erstmals in einer Publikation aus dem Jahr 1718 auf (Link)

  • "Bella gerant alii, tu, felix Austria, nube! 
    Nam quae Mars aliis, dat tibi Regna Venus."
    • "Laß andre ziehn ins Feld, / heurathe Oestreich du, /
      Denn was Mars andern gibt, legt Dir die Venus zu."
      1718,
      (Link)
  • "Mögen andere Länder Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate.
    Denn was Mars den anderen gibt, gibt dir die göttliche Venus."
  • "Krieg mögen andere führen! Du, glückliches Österreich, heirate!
    Denn was Mars den anderen, gibt dir die göttliche Venus."
  • "Kriege mögen andere führen, du, glückliches Österreich, heirate!
    Denn Reiche, die anderen der Krieg gibt, schenkt dir Venus."
     

 Zur Entstehung:

"Bella gerant allii" war im 16. Jahrhundert (1566 nachweislich) die Devise von Kardinal Lorenzo Gonzaga (Link). Die ersten drei Worte des Hexameters wurden erstmals vom römischen Autor der  "Heroides"-Liebesbriefe formuliert, die  Ovid zugeschrieben werden.

 

 Ovid, Heroides:

  • Bella gerant alii, Protesilaos amet!
    Kriege führen mögen andere, Protesilaos soll lieben! (Link)
    Let others go to the wars; let Protesilaus love! (Link)
  • Bella gerant fortes, tu, Pari, semper ama!
    Kriege sollen die Tapferen führen, Du, Paris, liebe immer! (Link)

    Be the waging of wars for the valiant; for you, Paris, ever to love! (Link)
Dass jemand nicht zum Krieg geboren ist, sonder zum Heiraten, hat auch Zeus seiner Tochter Aphrodite erklärt (Ilias 5. Buch,  428f).

Das habsburgische Hochzeits-Distichon wurde in verschiedenen Variationen auch spöttisch verwendet.
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Quellen:
P. Antonium Foresti: "Historische Welt-Cart, Das ist: Ordentliche Beschreibung der vier grössesten Reich der Welt." Anonymer Übersetzer, Verlag Georg Schlüter und Martin Happach, Augsburg: 1718, S. 549  (Link)
Elisabeth Klecker: "Bella gerant alii, tu, felix Austria, nube. Eine  Spurensuche", "Österreich in Geschichte und Literatur (mit Geographie)" OGL 41. Jg, 1997, Heft 1, S. 30-44 
Die Zeitschrift  "Österreich in Geschichte und Literatur " hatte 1995 eine Preisaufgabe zu dem Spruch ausgeschrieben. Dazu: OGL 40. Jg., 1996, Heft 1, S. 53f., OGL 41. Jg, 1997, Heft 1, S. 29 und OGL 44. Jg., 2000, Heft 4 S. 243-251.
P. OVIDI NASONIS EPISTVLAE HEROIDVM, XIII. Laodamia Protesilao, 13, 79 (Link); XVII. Helene Paridi, 17, 251 (Link)
Ovid: Heroides and Amores. Translated by Showerman, Grant. Loeb Classical Library Volume 41. Cambridge, MA, Harvard University Press; London, William Heinemann Ltd. 1931. (Link)
Johannes John: Reclams Zitaten-Lexikon, Reclam, Stuttgart: 2014  (Link)
Dudenredaktion: Zitate und Aussprüche: Herkunft und aktueller Gebrauch,  3. Auflage, Dudenverlag, Mannheim Leipzig Wien Zürich: 2015, S. 75f.  (Link) 
Wikipedia 
Habsburg.net
Ilias 5. Buch,  428f. (Link); gottwein.de Zeus erklärt seiner Tochter Aphrodite, dass ihr Geschäft nicht der Krieg ist, sondern die Hochzeit.  
 
Beispiele für fälschliche Zuschreibungen:
Hubertus Kudla: "Lexikon der lateinischen Zitate: 3500 Originale mit deutschen Übersetzungen", beck'sche reihe, Verlag: Beck C. H., München: 2007, ebook, 1103 (Link) (Matthias Corvinus)
1895: books.google  (Matthias Corvinus)
1983: books.google (Matthias Corvinus) 
2008: books.google  (Matthias Corvinus)
2012: welt.de (Maximillian I) 
Zitate.eu (Maximillian I)
Wikiquote (Matthias Corvinus) 
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Artikel in Arbeit.