Donnerstag, 26. März 2020

"Der schlimmste Feind des wilden Elefanten ist der gezähmte Elefant." Bertolt Brecht (angeblich)

Das ist ein entstelltes, aber kein sinnentstelltes Zitat aus Bertolt Brechts 1939 verfasstem Vorwort zu seinem Theaterstück "Leben des Galilei".

 Korrekt lautet dieser Satz von Bertolt Brecht:

  • "Kein Reaktionär ist unerbittlicher als der gescheiterte Neuerer, kein Elefant ein grausamerer Feind der wilden Elefanten als der gezähmte Elefant."  (Link)

Bertolt Brecht: 'Leben des Galilei', Vorwort, 1939:


  • " Furchtbar die Enttäuschung, wenn die Menschen erkennen oder zu erkennen glauben, daß sie einer Illusion zum Opfer gefallen sind, daß das Alte stärker ist als das Neue, daß die 'Tatsachen' gegen sie und nicht für sie sind, daß ihre Zeit, die neue, noch nicht gekommen ist.

    Es ist dann nicht nur so schlecht wie vorher, sondern viel schlechter; denn sie haben allerhand geopfert für ihre Pläne, was ihnen jetzt fehlt, sie haben sich vorgewagt und werden jetzt überfallen, das Alte rächt sich an ihnen.

    Der Forscher oder Entdecker, ein unbekannter, aber auch unverfolgter Mann, bevor er seine Entdeckung veröffentlicht hat, ist nun, wo sie widerlegt oder diffamiert ist, ein Schwindler und Scharlatan, ach, allzusehr bekannt, der Unterdrückte und Ausgebeutete nun, nachdem sein Aufstand niedergeschlagen wurde, ein Aufrührer, der besonderer Unterdrückung und Bestrafung unterzogen wird.

    Der Anstrengung folgt die Erschöpfung, der vielleicht übertriebenen Hoffnung die vielleicht übertriebene Hoffnungslosigkeit. Die nicht in Stumpfheit und Teilnahmslosigkeit zurückfallen, fallen in Schlimmeres; die die Aktivität für ihre Ideale nicht eingebüßt haben, verwenden sie nun gegen dieselben!

    Kein Reaktionär ist unerbittlicher als der gescheiterte Neuerer, kein Elefant ein grausamerer Feind der wilden Elefanten als der gezähmte Elefant.

    Und doch mögen diese Enttäuschten immer noch in einer neuen Zeit, Zeit des großen Umsturzes, leben. Sie wissen nur nichts von neuen Zeiten." 
    Bertolt Brecht: 1963, S. 8 books.google.
 Die Metapher eines gezähmten Elefantes verwendet Bertolt Brecht noch einmal im Jahr 1945 in einem Epigramm zu einem Foto von zwei erschöpften Soldaten, der eine in Wehrmachtsuniform, der andere in der Uniform der sowjetischen Roten Armee:

Bertolt Brecht, 1945:

  • "Ein Brüderpaar seht, das in Panzern fuhr
    Zu kämpfen um des einen Bruders Land
    So grausam war seit je im Kampfe nur
    Zum Bruder der gezähmte Elefant."
    (Link)

Bertolt Brecht, in dessem Werk Elefanten öfters auftauchen, ist auf die Metapher von dem gezähmten Elefanten wahrscheinlich durch eine Geschichte von Rudyard Kipling, den Bertolt Brecht verehrte, angeregt worden.

Rudyard Kipling erzählt in der Kurzgeschichte "Toomai of the elephants" von dem alten Elefanten Kala Lag, der 47 Jahre im Dienste der Regierung stand, und der als Mithelfer bei der Zähmung und Abrichtung wilder Elefanten besonders grausam war (Link).


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Quellen:

Bertolt Brecht: "'Leben des Galilei', Vorwort", in: Werner Hecht: Materialien zu Brechts "Lebens des Galiliei". Suhrkamp, Frankfurt am Main: 1963, S. 8 books.google. ; Gesammelte Werke Bd.17, Schriften Zum Theater III, Anmerkungen zu Stücken und Aufführungen 1918-1956,  Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main: 1967, S. 1105.
Welf Kienast: "Kriegsfibelmodell: Autorschaft und 'kollektiver Schöpfungsprozess' in Brechts Kriegsfibel", Dissertation, Palaestra, Bd. 313,  Vandenhoeck u. Ruprecht,  Göttingen: 2001, S. 144f.; 255  (Link)
 Rudyard Kipling:  "Toomai of the elephants"

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